Terror mit Herz

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Max und seine Grosseltern wohnen als russische Auswanderer in einem deutschen Flüchtlingsheim. Doch der Bub darf keine unbeschwerte Kindheit haben, zu sehr will ihn die Grossmutter vor Keimen und anderen schädlichen Einflüssen bewahren. Dabei ist es eher ihr ungezügeltes Temperament, das Max gefährlich werden könnte. Sie nennt ihn Krüppel und stellt ihn vor anderen Leuten als debil hin. Auch der Grossvater wird von ihr ständig heruntergemacht. Aus praktischen Gründen lässt sie es ihm dennoch durchgehen, dass er sich in Nina verliebt und diese mit dem gemeinsamen Baby und einer älteren Tochter in ihrer engen Wohnung einzieht. Und als ihre Tatkraft gefordert ist, lässt die Grossmutter buchstäblich alte Zöpfe hinter sich und krempelt die Ärmel hoch.
Alina Bronsky (ein Pseudonym) führt linear und zügig durch die Handlung, gewohnt farbig, plastisch, süffig. Kein Wort zu viel, und doch ist alles deutlich gesagt. Einmal mehr schreibt sie über eine charakterstarke Frau, streitbar, diktatorisch, aber mit einem grossen Herzen. Der Roman wartet auf mit der liebevollen Charakterisierung der Personen, der spitzzüngigen Strenge der Grossmutter, der sehnsüchtigen Verliebtheit des Grossvaters sowie dem Objekt seiner Liebe, der Klavierlehrerin Nina und ihrer älteren Tochter. Zwischen allen Fronten der kleine Max, verwirrt vom Chaos der seltsamen Beziehungen, dem Leben in Deutschland und der Existenz seines bislang unbekannten Vaters. Ihm gehört vor allem meine Sympathie, weil er geduldig die grossmütterlichen Torturen erträgt und es dennoch wagt, sich ihr todesmutig zu widersetzen. Der trotz allem Wahnsinn versöhnliche Ton rundet den Roman zu einem verdaulichen Stoff ab.
Nachdem bereits in "Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche" von einer ungewöhnlichen, dort jedoch bösartigen Grossmutter die Rede ist, wäre es schon interessant zu wissen, welches Verhältnis die Autorin zu ihrer eigenen Oma hatte (oder hat). Es wird wohl ein schwieriges gewesen sein. Wer bisher noch nichts von Bronsky gelesen hat, dem sei ihr neues Werk empfohlen. Wer sie bereits kennt, liest es sowieso.