Der Zopf wird mit blassen Charakteren ohne Tiefgang geflochten

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caro.booklover Avatar

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Smitas Schicksal in Indien als Angehörige der niedrigsten Kaste ist bedrückend und viele Schilderungen kann man kaum glauben. Wie sie dann handelt, um vorrangig ihre Tochter aus diesem Gefängnis der Kastenzugehörigkeit zu befreien, ist sicherlich mutig und bewundernswert, wenn es für sich steht. Ich fand es im Gesamtkontext unglaubwürdig. Sie ist eine ungebildete Frau ohne großartige Mittel, da sie für ihre Arbeit maximal mit Lebensmittelresten bezahlt wird. Ihr Mann ist Rattenfänger, seine Beute ist das Essen für die Familie. Eine andere Geldquelle wird nicht erwähnt. Dennoch spart die Familie einen nicht unbeträchtlichen Geldbetrag, um die Tochter in die Schule schicken zu können. Später hat Smita, deren große Armut immer wieder betont wird, ein Fahrrad. Abgesehen von ihrer Persönlichkeit, die von den drei Protagonistinnen noch am intensivsten dargestellt wird, fand ich auch die sie umgebende weitere Rahmenhandlung am Ende der Erzählung wenig überzeugend. Insbesondere, weil sich ihr bis auf eine finanzielle Betrügerei keine Hindernisse in den Weg stellen. Zumindest, soweit dieser Weg erzählt wird.
Die anderen beiden Protagonistinnen, Giulia und Sarah, bleiben neben Smita seltsam blass, ihre Schicksale nahezu lächerlich im Vergleich zu Smitas Leben in Indien. Sarahs Erkrankung ist schwer und existenziell bedrohlich, aber durch ihren Umgang damit und die dargestellte innere Kälte konnte ich kein Mitgefühl für sie aufbauen. Vielmehr musste ich während ihrer Kapitel immer wieder den Kopf schütteln. Aber vielleicht sind da meine Wertevorstellungen von Beruf und Familie einfach zu unterschiedlich. Giulias Charakter fehlt es dann wiederum völlig an emotionaler Tiefe. Sie wirkt zu Beginn naiv und unbelastet. Sicherlich muss sie sich nach dem Unfall ihres Vaters umstellen, dass sie aber plötzlich von kleinen Schwätzchen mit den Arbeiterinnen umschaltet auf die Leitung und Umstrukturierung des Familienunternehmens, konnte mich nicht überzeugen.
Alle drei Erzählstränge wären sehr ausbaufähig gewesen, insbesondere, wenn es der Autorin wirklich um einen eindringlichen Roman über drei starke Frauen gegangen wäre. Vor allem aber Giulias Geschichte fehlt es völlig an Tiefe. Ihre Gedanken und ihr Charakter stehen im Vergleich zu den anderen beiden Protagonistinnen eindeutig zurück. In ihren Kapiteln kommt immer wieder das Thema Ausländerfeindlichkeit und Ausgrenzung auf, wird jedoch jeweils immer nur kurz erwähnt, nie ausgebaut oder deren tatsächliche Schwierigkeiten für ihren eigenen Alltag dargestellt. Unter anderem, weil sie sich dazu in den Gedankenmonologen so gar nicht positioniert, wirkt sie so naiv und ohne Tiefe.
Wie die drei Schicksale der so unterschiedlichen Frauen auf drei Kontinenten miteinander zusammenhängen, wird sehr schnell klar. Für mich gab es keine Überraschungen, keine Wendungen - schade! Das Ende ist für alle drei offen, vor allem bei Smita fand ich es aber völlig unzureichend und noch zu weit vom "Ziel" entfernt, um als komplett erzählte Geschichte gelten zu können - ebenfalls schade!

Fazit:
Der Geschichte um die Schicksale der drei Frauen und dem am Ende geknüpften Zopf fehlt es an emotionaler Tiefe. Die Protagonistinnen werden unzureichend dargestellt. Eine wirkliche Verbindung zu ihnen konnte ich nicht aufbauen. Einzig Smitas Erzählstrang konnte mich halten.