Bavaria und der deutsche Meister

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bavaria123 Avatar

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Als das Buch angekündigt worden ist, war mir zunächst nicht klar, dass es eine wahre Geschichte ist, die hier erzählt wird. Um einen Einblick zu bekommen, habe ich mich ein wenig im Internet und in der hiesigen Bücherei nach dem Thema umgesehen.

Johann Wilhelm „Rukeli“ Trollmann (Spitzname Gipsy) wurde 1907 in Wilsche bei Gifhorn in Niedersachsen geboren. Er wuchs mit seinen acht Geschwistern in Hannover auf. Seine große Begabung zum Boxen zeichnete sich schon sehr früh ab. In jungen Jahren gewann Rukeli Trollmann viermal die Regional-Meisterschaft, gewann den Norddeutschen Meistertitel und nahm an der Deutschen Meisterschaft der Amateur-Boxer teil. Da er im Juni 1929 von der olympischen Nominierung ausgeschlossen wurde, fasste er den Entschluss, Profiboxer zu werden. Sein Manager wurde der Berliner Ernst Zirzow.
Nach der Machtübernahme der NSDAP 1933 wandelte sich auch das Leben von Trollmann. Der Boxsport wurde in „Deutscher Faustkampf“ umbenannt. Die Boxclubs in Deutschland wurden reorganisiert und arisiert. Es begann die Ausgrenzung und Verfolgung von nichtarischen Sportlern und Sportlerinnen.
Der Deutsche Meister und dominierende Boxer in Trollmanns Gewichtsklasse (Mittelgewicht und Halbschwergewicht), war Erich Seelig. Vor dessen Titelverteidigung wurde Seelig massiv bedroht, auch mit dem Tod und er setzte sich nach Frankreich ab. Er war als Jude seines Lebens nicht mehr sicher. Trollmann folgte diesem Beispiel nicht und blieb in Deutschland. Und genau hier setzt das Buch ein.

Die Autorin beschreibt vorwiegend zwei Boxkämpfe. Den ersten tragen Adolf Witt und Rukeli Trollmann aus. Zunächst war ich ein wenig genervt, da allein die Beschreibung dieses einen Kampfes nahezu hundert Seiten umfasst. Allerdings ist es nicht nur eine Darstellung des Kampfablaufs. Stephanie Bart hat in diesen Kampf auch den Kampf gegen das Regime gelegt. Das ist eine exzellente Idee, die sie wirklich gut ausgearbeitet hat. Man merkt die sehr gute Recherche in Sachen Boxsport und ihr Fachwissen in Politologie ausgesprochen an.
Die Nebenpersonen sind Stellvertreter für das Volk an sich. Manche haben Namen, manche sind auch einfach nur Erste Vorsitzende. Allerdings muss man mit dieser Darstellungsweise erst ein wenig warm werden. Im Nachhinein finde ich es aber wirklich absolut gelungen.

Barts Schreibstil ist gewöhnungsbedürftig. Ganz kurze Sätze paaren sich mit extrem ausführlichen. Es kommen Wiederholungen mitten im Satz vor. Das mutet erstmal etwas holprig an. Aber entweder habe ich mich im Laufe des immerhin 384 Seiten starken Buches dann daran gewöhnt, oder aber sie hat sich im Laufe des Schreibens gesteigert. Denn das Werk wird dann immer eindringlicher und atmosphärisch dichter.

Bart hält sich strikt an die belegten Fakten. Lediglich ein paar Figuren kommen hinzu. Aber auch die passen sich wunderbar in das Geschehen ein. Zudem werden auch einige Prominente der Zeit eingeflochten, beispielsweise Max Schmeling, Hans Albers oder auch Elly Beinhorn. Auch das ist wirklich gelungen.

Was ich persönlich ein wenig schade finde, ist die Tatsache, dass die Biografie um Trollmann nach einem zweiten Boxkampf aufhört. Denn danach hat sich für ihn noch einiges ereignet. Und das führte in ein ganz dunkles Kapitel der deutschen Geschichte.
Da mich diese Begebenheiten dann aber auch sehr interessierten, habe ich weiter geforscht.
Dem Hannoveraner Hans Firzlaff ist es zu verdanken, dass Trollmann letztendlich doch nicht ins Vergessen geriet. Er recherchiertevon 1960 an das Schicksal dieses Mannes und brachte in den neunziger Jahren ein Buch unter dem Titel “Knockout” heraus. Damit war der Anfang gemacht. Der Film „Gipsy“ folgte dann 2012 und nun, 2014 eben das Buch von Stephanie Bart.
Noch immer ist Rukeli Trollmann den meisten Deutschen kein Begriff. Aber in Hannover wurde ein kleiner Weg nach ihm benannt, in Hannover und Hamburg wurden Stolpersteine für ihn platziert.

Ich empfehle das Buch sehr gern weiter, auch wenn man wie ich nun überhaupt kein Boxfreund ist. Einen Stern ziehe ich wegen der anfänglichen Schwierigkeiten sich in den Schreibstil einzulesen ab. Schön wäre es auch gewesen, eine Art Lebenslauf Trollmanns ans Ende der von Bart geschriebenen Biografie einzufügen.

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