Familiäre Verwicklungen in der Zeit des 1. Weltkrieges

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miltonia 01 Avatar

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Ich wusste nicht, dass dies der 3. Band einer Buchreihe ist und wunderte mich am Anfang, dass es sofort in die aktuellen Geschehnisse geht, zu denen mir leider die Vorgeschichten fehlten. Aber es wird zumindest die Historie so weit angerissen, dass man auch mit dem Band allein etwas anfangen kann. Zumal der Beginn gleich hochdramatisch ist: Nach einer längeren Zeit in Fernost kehrt die Ärztin Ricarda Thomasius samt Ehemann auf das Gut ihrer Familie in Brandenburg zurück. Sie ist noch nicht ganz angekommen, da fallen Schüsse und sie findet ihre erwachsene Tochter Henny mit einem verletzten blutenden Mann im Schoß im Schlosspark sitzend vor. Der junge Mann ist der Verlobte ihrer Tochter und beide haben gerade erfahren, dass sie auf verwickelten Wegen Halbgeschwister sein sollen. Das schockiert natürlich das junge Paar und die gesamte Familie, aber passenderweise gibt die Mutter des jungen Mannes Victor an, dass alles ganz anders sein soll. Ricarda kann dieser allzu schönen Geschichte allerdings nicht trauen und das führt zu einem tiefen Zerwürfnis zwischen Mutter und Tochter.

Henny geht mit ihrem Ehemann nach Amerika und erlebt dort schöne und sehr schwierige Zeiten, auch in Amerika ist nicht alles Gold, was glänzt. Trotzdem hat sie es zumindest materiell wesentlich angenehmer als der Rest der Familie, der sich in Deutschland irgendwie durch die Hungerjahre des 1. Weltkrieges schlagen muss. Ricarda arbeitet an der Charite und kämpft dort ebenfalls mit Mangel und Elend, immerhin hat der Krieg zumindest die positive Folge, dass auf den Arbeitsplätzen der Frontkämpfer nun sehr gern auch Frauen zeigen dürfen, dass sie es nicht schlechter machen. Nach dem Krieg ist das allerdings sehr schnell wieder vorbei.

Ihre jüngere Tochter Antonia möchte gern Tierärztin werden, was zu dieser Zeit völlig undenkbar ist und arbeitet im Berliner Zoo. Auch dort mangelt es den Tieren an allem und es ist sehr schwer, den Betrieb überhaupt am Laufen zu halten. Man sieht Toni langsam erwachsen werden mit allem Glück und Problemen, die in diesem Alter so auftreten.

Ricardas Sohn Georg kommt schwer traumatisiert von der Front wieder und sie hat die große Aufgabe, ihn wieder „zum Leben zu erwecken“. Zumal die Behandlung von Traumapatienten gerade erst ganz am Anfang steht und auch die gesamte Gesellschaft sehr wenig Verständnis für die Betroffenen und ihre Leiden zeigt.

So hat jeder sein Päckchen zu tragen und aufgrund des großen Leids und Elends, dass die normale Bevölkerung in diesen Jahren zu ertragen hat, ist es umso unverständlicher, dass gerade mal 20 Jahre später ein noch grausamerer Krieg von Deutschland ausgehen wird.
Das Buch liest sich sehr flüssig, nicht alle Handlungen kann ich nachvollziehen, aber das ist ja auch im wahren Leben so. Und es bildet für geschichtsinteressierte Leser ein durchaus facettenreiches Bild der 20er und 30er Jahre nicht nur in Deutschland ab. Dafür von mir 4 Sterne.