Vom Dichterfürsten zum Criminalisten

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aennie Avatar

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Friedrich Schiller (noch ohne „von“) und Johann Wolfgang von Goethe besuchen für einige Tage die Heimatstadt Goethes, Frankfurt. Viel hat sich hier in den letzten Jahren geändert, die napoleonischen Kriege haben wie überall in Europa deutliche Spuren hinterlassen. Im Stadtbild, im täglichen Leben, in der Bevölkerung. Fast sind die beiden schon wieder auf dem Weg zurück nach Thüringen, als sie um Hilfe gebeten werden. Aufgrund ihrer Strahlkraft und allgemeinen Anerkennung, erachtet man die beiden als fähig, das nötige kosmopolitische Flair und die Diplomatie mitzubringen, in einer heiklen Angelegenheit vermittelnd aufzutreten, die den Angehörigen des Stadtrates heftiges Kopfzerbrechen bereitet. Falsche Kuriere könnten den Eindruck erwecken, von Frankfurt ginge eine Revolte aus, die letztlich wiederum zu einem Angriff oder einer Belagerung Frankfurts führen könnte, die den Ruin für die in den letzten Jahren stark mitgenommenen Stadt und ihrer Bevölkerung bedeuten würde. Doch offensichtlich ist jemand nicht mit der Einmischung der beiden einverstanden: sowohl auf die beiden Dichter als auch andere wichtige Schlüsselpersonen werden regelrechte Anschläge verübt, und schnell ist klar, wie in jedem guten Kriminalfall, die entscheidende Frage ist „cui bono?“ – wem nützt es was? – die dann letztendlich zum „whodunnit“ – wer war’s? führen wird.

Ach ja, was dann folgt, das ist nun kein hochspannender ausgeklügelter Psychokrimi – aber etwas anderes, ganz wichtiges: extrem unterhaltsam und kurzweilig erzählt. Dazu tragen verschiedene Faktoren bei: zum Einen gefällt mir Schiller als Erzähler sehr gut und die Weise wie der Autor ihn einsetzt: als bewussten Erzähler. Schiller macht den Leser direkt darauf aufmerksam: ich werde euch etwas erzählen. Und deshalb ist eben auch hier und da eine persönliche Adressierung enthalten und nicht nur das Geschehen an sich. In der Erzählweise und der Perspektive existiert auch der Zeitpunkt an dem Schiller am seinem Schreibtisch sitzt und die ganze Begebenheit aufschreibt. Außerdem berichtet er auch über seine Sicht auf Goethe (und die Damenwelt), seine Bewertung der Pläne und den ein oder anderen Disput (sehr schön, als Goethe sich über Schillers Darstellung seiner Person im ersten Band der Reihe beschwert…). Zum anderen fand ich auch den Fall an sich gut durchdacht und plausibel. Mit dem Leid anderer Geschäfte zu machen – dass ist wohl so alt wie die Menschheit, bzw. so alt wie die arbeitsteilige Gesellschaft.
Von daher passt das für mich alles gut. Die Geschichte schreitet in einem guten Tempo voran, sprachlich macht das auch einfach Spaß. Ein Krimi, der keine schlaflosen Nächte bereitet, dafür aber gut unterhält und einen feinen Humor besitzt. Wie authentisch jetzt die handelnden Personen charakterlich getroffen sind - wer mag das beurteilen, ich finde sie sind denkbar getroffen.
Viele Jahre waren Schiller ja nun nach den hier geschilderten Ereignissen nicht mehr gegönnt, aber ich hoffe, dass der Autor Goethe und ihn noch ein drittes Mal „ermitteln“ lässt.