Zwischen Lebenslust und Plattenbau
Familien sind oft eine Zumutung. Meist für die Wehrloseren in der Runde, also für die Kinder.
Die Familie, die Florentine Anders *uns* zumutet, ist ebenfalls ein harter Brocken. Hermann Henselmann, verheiratet mit Irene, genannt Isi, und Vater von acht Kindern, darunter auch Isa (man beachte die Endung), war einer der wichtigsten Architekten der DDR und Zeit seines Lebens bestrebt, gute, ja, die besten Gebäude zu entwerfen. "Ein Architekt muss die Menschen lieben, um sich vorstellen zu können, wie sie in den Häusern leben", sagt er einmal zu seiner Tochter Isa. Das klingt wie die Suche nach einer architektonischen Utopie, nach Freiheit im Bauen und Wohnen, im Leben.
Seine Enkelin Florentine zeigt in ihrem Buch, wie Henselmann nach dem verhassten Naziregime in seinen neuen baulichen Ideen aufgeht, die zunächst auch Früchte tragen - bis die Teilung Deutschlands und die zunehmende Verschärfung des Systems diese Ideen immer mehr zurechtstutzen. Wer sich die Entwürfe Henselmanns anschaut und dann auf die Plattenbauten schielt, die wegen akuter Wohnungsnot in Massen aus dem Boden gestampft wurden, ahnt, mit welcher Frustration dieser kreative Kopf wohl immer wieder zu kämpfen hatte.
Doch dieser den Künsten zugetane Mann, freigiebige Freund, visionäre Planer hat auch ganz andere Seiten. Wenn ihn die Wut überkommt, stürzt er sich auf die Kinder, vor allem auf zwei von ihnen, darunter Isa, und prügelt sie grün und blau. Isa lernt allerdings nicht nur seine mangelnde Impulskontrolle fürchten, sondern wird auch immer wieder mit seiner Verachtung konfrontiert - ohne dass Mutter Isi in irgendeiner Form einschreitet.
Und dieser Vater ist nicht das einzige Schlimme in Isas Leben. Verschiedene traumatische Ereignisse wie etwas der Aufenthalt in der berüchtigten "Tripperburg" prägen sie nachhaltig und werden von der Autorin in lakonischer Erzählweise geschildert. Das war manchmal beim Lesen kaum erträglich - aber womöglich für die Autorin die einzige Möglichkeit, es zu ertragen.
Dieses Buch hat mich fasziniert, mich aber auch immer wieder wütend gemacht. Auf den großen Mann, der innerlich so klein war, dass er seine Frau offen betrog und seine Kinder verprügeln und verächtlich machen musste. Auf ein System, das die Einpferchung und Bespitzelung von Menschen betrieb. Auf Ärzte, die mit alten Vorurteilen im Kopf mehr Schlachterhandwerk als Heilkunde praktizierten. Auf das System auf der westlichen Seite, das nach dem Zusammenbruch der DDR alles an sich riss, was kapitalistisch nutzbar war. Und ich habe mich dazwischen immer wieder gefragt, wo die selbstverständliche Selbstständigkeit der DDR-Frauen ist, von der mir schon viel vorgeschwärmt wurde - Isi mit ihren acht und Isa mit ihren fünf Kindern haben über das gleiche Leiden an zu wenig Zeit für die eigenen Belange und Entwicklungen zu klagen, wie es jede BRD-Frau auch hätte tun können.
"Die Allee" wird mir zweifellos im Gedächtnis bleiben. Der Blick auf die Geschichte eines geteilten Landes und auf eine zerrissenen Familie, die Leistungen des Architekten Henselmann und seine Schattenseiten, vor allem aber die Schilderung von Isas Leben haben mich sehr beeindruckt. Deshalb empfiehlt die Buchprüferin allen mit Interesse an diesen Themen: Lesen!
Die Familie, die Florentine Anders *uns* zumutet, ist ebenfalls ein harter Brocken. Hermann Henselmann, verheiratet mit Irene, genannt Isi, und Vater von acht Kindern, darunter auch Isa (man beachte die Endung), war einer der wichtigsten Architekten der DDR und Zeit seines Lebens bestrebt, gute, ja, die besten Gebäude zu entwerfen. "Ein Architekt muss die Menschen lieben, um sich vorstellen zu können, wie sie in den Häusern leben", sagt er einmal zu seiner Tochter Isa. Das klingt wie die Suche nach einer architektonischen Utopie, nach Freiheit im Bauen und Wohnen, im Leben.
Seine Enkelin Florentine zeigt in ihrem Buch, wie Henselmann nach dem verhassten Naziregime in seinen neuen baulichen Ideen aufgeht, die zunächst auch Früchte tragen - bis die Teilung Deutschlands und die zunehmende Verschärfung des Systems diese Ideen immer mehr zurechtstutzen. Wer sich die Entwürfe Henselmanns anschaut und dann auf die Plattenbauten schielt, die wegen akuter Wohnungsnot in Massen aus dem Boden gestampft wurden, ahnt, mit welcher Frustration dieser kreative Kopf wohl immer wieder zu kämpfen hatte.
Doch dieser den Künsten zugetane Mann, freigiebige Freund, visionäre Planer hat auch ganz andere Seiten. Wenn ihn die Wut überkommt, stürzt er sich auf die Kinder, vor allem auf zwei von ihnen, darunter Isa, und prügelt sie grün und blau. Isa lernt allerdings nicht nur seine mangelnde Impulskontrolle fürchten, sondern wird auch immer wieder mit seiner Verachtung konfrontiert - ohne dass Mutter Isi in irgendeiner Form einschreitet.
Und dieser Vater ist nicht das einzige Schlimme in Isas Leben. Verschiedene traumatische Ereignisse wie etwas der Aufenthalt in der berüchtigten "Tripperburg" prägen sie nachhaltig und werden von der Autorin in lakonischer Erzählweise geschildert. Das war manchmal beim Lesen kaum erträglich - aber womöglich für die Autorin die einzige Möglichkeit, es zu ertragen.
Dieses Buch hat mich fasziniert, mich aber auch immer wieder wütend gemacht. Auf den großen Mann, der innerlich so klein war, dass er seine Frau offen betrog und seine Kinder verprügeln und verächtlich machen musste. Auf ein System, das die Einpferchung und Bespitzelung von Menschen betrieb. Auf Ärzte, die mit alten Vorurteilen im Kopf mehr Schlachterhandwerk als Heilkunde praktizierten. Auf das System auf der westlichen Seite, das nach dem Zusammenbruch der DDR alles an sich riss, was kapitalistisch nutzbar war. Und ich habe mich dazwischen immer wieder gefragt, wo die selbstverständliche Selbstständigkeit der DDR-Frauen ist, von der mir schon viel vorgeschwärmt wurde - Isi mit ihren acht und Isa mit ihren fünf Kindern haben über das gleiche Leiden an zu wenig Zeit für die eigenen Belange und Entwicklungen zu klagen, wie es jede BRD-Frau auch hätte tun können.
"Die Allee" wird mir zweifellos im Gedächtnis bleiben. Der Blick auf die Geschichte eines geteilten Landes und auf eine zerrissenen Familie, die Leistungen des Architekten Henselmann und seine Schattenseiten, vor allem aber die Schilderung von Isas Leben haben mich sehr beeindruckt. Deshalb empfiehlt die Buchprüferin allen mit Interesse an diesen Themen: Lesen!