Die Angehörigen

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„The dependents“, so der Originaltitel des Romans Romans der jungen amerikanischen Autorin Katharine Dion. Mehr noch als die deutsche Entsprechung „Die Angehörigen“ schwingt dort etwas mit, das man manchmal gerne eher verdrängen möchte, das aber in irgendeiner Form immer vorhanden ist, besonders, wenn die Menschen, denen man „angehört“, sehr nahe stehen: die Abhängigkeit. Nicht so sehr eine materielle, sondern eine emotionale Abhängigkeit, in der man sich befindet. Und die beim Verlust dieses Menschen eine schwer zu füllende Lücke hinterlässt.
Eine solche Lücke muss auch Gene Ashe erdulden, als seine Frau Maida nach 49 Jahren Ehe ganz unerwartet nach einer Knieoperation stirbt. Nach diesen vielen gemeinsamen Jahren plötzlich allein dazustehen, ist schwer. Es gibt eine gemeinsame Tochter, eine eng befreundete Familie, die Donellys, mit denen Gene, Maida und Dory Ashe viele gemeinsame Sommer am See verbracht haben, und die ihnen auch jetzt zur Seite stehen. Aber mit dem Verlust muss Gene alleine zurechtkommen. Wie schreibt man einen Nachruf? Was packt man hinein vom langen gemeinsamen Leben? Was war wichtig, erwähnenswert? Und war das gemeinsame Leben gelungen, glücklich? Für sich kann Gene das bejahen, aber ging es Maida genauso? Und was weiß er eigentlich von dieser Frau, die einen Großteil seines Lebens mit ihm verbracht hat?
Diese Gedanken gehen Gene, dem wir im Roman ganz nah sind, durch den Kopf. Katharine Dion erzählt davon nachdenklich, melancholisch und sehr einfühlsam, gelegentlich auch humorvoll-ironisch. Das ist thematisch nicht neu und schriftstellerisch ziemlich konventionell, aber auch sehr klar und erhellend und fügt eine weitere Facette zum großen Nachdenken über das Leben, das Glück und das Abschiednehmen hinzu, die ich gerne gelesen habe. Außerdem wird von einer jungen Autorin das Thema Alter und Altern auf sehr sensible Weise verhandelt.
Gene flüchtet mit seinen Erinnerungen in die alte Ferienhütte am See, wird dort eingeschneit und kommt allmählich zur Ruhe. Zur Seite steht ihm dort Anna Karenina. So wird „Die Angehörigen“ schließlich auch zu einer Hommage an die Literatur und die Kraft, die darin steckt. Ein schöner, ruhiger Debütroman.