Ein durchaus gelungenes Debüt

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mrsamy Avatar

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Seit Maida überraschend gestorben ist, fühlt sich Gene schutzlos und merkt mehr als jemals zuvor, wie sehr das Alter an ihm zu nagen beginnt. Er kann sich und seine neuen Schwächen selbst nicht leiden, hadert mit diesem neuen Ich, das er doch akzeptieren muss und fühlt sich so unendlich einsam ohne seine geliebte Frau. Für die Trauerfeier reist seine Tochter Gary mit ihrer Enkelin an. Gene liebt seine Enkelin über alles, aber seine Tochter selbst ist ihm bis heute ein Rätsel, sie hat nie geheiratet, keinen Mann, ihre Tochter verdankt sie einer Samenspende. Immer wieder versucht er sich ihr zaghaft zu nähern, doch die Distanz zwischen ihnen ist nahezu unüberbrückbar. Und dann sind da noch Ed und Gayle, ein Ehepaar, mit denen Maida und Gene ihr halbes Leben verbracht haben. Gemeinsame Urlaube und Erlebnisse haben die beiden Familien eng aneinander geschweißt. Und sie passen auch jetzt auf Gene auf, damit er sich in seiner Trauer nicht verliert.

„Die Angehörigen“ ist der Debütroman von Katharine Dion, und es ist ein durchaus gelungenes Debüt. Dions Sprache ist stark, vermittelt dem Leser eindrucksvolle Bilder und gibt einen gefühlvollen, und realitätsnahen Einblick in das Leben eines Mannes, der sich in einem neuen Leben zurechtfinden muss. Man hat das Gefühl, dass erst mit dem Tod seiner Frau Genes Alter wirklich hervorbricht und er sich seiner fortgeschrittenen Lebensgeschichte erst so richtig bewusst wird. Aber der Roman weist auch deutliche Schwächen auf. Am krassesten ist wohl die Differenz zwischen Klappentext und Inhalt. Laut Inhaltsangabe ist Gene nämlich der Frage auf der Spur, wer Maida wirklich war und ob ihr Leben mit ihm sie glücklich gemacht hat. Natürlich geht es irgendwie auch darum, aber nur am Rand, man erfährt viel, von Genes und Maidas gemeinsamen Leben, aber das sich ihr Charakter durch den Blickwinkel verschiedener Person grundlegend ändern würde und Gene gar mit einem nahezu unbekannten Menschen konfrontiert wäre, konnte ich so nicht erfahren. Generell ist die Handlung dieses Romans schwer zu greifen, auch ganz am Schluss kann ich noch nicht genau sagen, von was dieses Buch eigentlich handelt. Es lässt mich zum Teil ein wenig ratlos zurück.

Auch hatte ich am Anfang Probleme, die Figuren und ihre Namen richtig zuzuordnen, weil sie sich in gewisser Weise alle ähneln. Zudem scheint die Autorin eine Vorliebe für relativ lange und mitunter auch verschachtelte Sätze zu hegen. An sich kein Problem, aber es dauert doch recht lange, bis man so richtig im Roman angekommen ist und das Lesen auch wirklich eine Bereicherung darstellt. Als weiteres Manko empfinde ich, das nirgendswo das Alter von Gene zu erfahren war. Natürlich kann das Absicht sein, denn der körperliche Zerfall ist nicht an ein bestimmtes Lebensalter geknüpft, und doch hätte es mir geholfen, Gene als Charakter greifbarer zu machen. Man sieht, ich tue mich etwas schwer und so letztlich auch mit der Bewertung für dieses Buch …