Licht und Dunkel

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Der Roman "Die Attentäter" von Antonia Michaelis schildert aus unterschiedlichen Perspektiven und dadurch erzähltechnisch äußerst raffiniert und eindrucksvoll die Freundschaft zwischen drei Menschen, Cliff, Alain und Margarete, von ihrer ersten Begegnung als Kinder bis hin zum Eintritt ins Erwachsenenleben.
Besonders sind dabei die atmosphärisch dichten Beschreibungen, die von Beginn der Beziehung der drei zueinander an düstere Vorausdeutungen enthalten, die den Leser von Anfang der Lektüre an erahnen lassen, dass mit Cliff etwas Schlimmes geschehen wird und dass Alain eine besondere Rolle für ihn spielt. In den Beschreibungen spielt die Licht-Dunkel-Metaphorik eine besondere Rolle: "Der Wind fuhr durch sein braunes Haar, doch es war nicht mehr braun,es sah staubig aus. Grau. Natürlich lag das am Licht. Das Licht malte auch Schatten unter seine Wangenknochen, unter seine Augen, tiefe
Schatten, in denen etwas Unbekanntes wohnte.
Er hatte immer im Schatten gelebt. Im Dunkel. Und das Dunkel hatte
geglüht, hatte eine eigene Anziehungskraft ausgeübt, wie ein schwarzes
Feuer. Er hatte im Schatten gelebt, doch jetzt lebten die Schatten in ihm.
Er schien nicht mehr Herr über sie zu sein." (Seite 7) / "Alain schloss die Augen, und da sah er die Augen des anderen Jungen
wieder vor sich. Dieses Dunkelblau. Es hatte nach ihm gegriffen. Wie
eine Hand." (Seite 12) / " Dann rannte Cliff in den Flur und stürzte sich auf die junge Frau mit dem engen grünen Mantel wie ein Tier, und um ihn war etwas wie ein Schatten, ein dunkles Ding, das ihn umgab. Später würde Alain das Wort »Verzweiflung« denken, aber nicht mit vier Jahren." (Seite 17)/
" Und dann lief ein Ruck durch den Körper. Auf einmal krallte sich eine
Hand um Alains Unterarm. Er schrie. Cliff schlug die Augen auf und sah
ihn an, und dann begann er, Alain zu sich hinabzuziehen. Alain spürte
wieder das Schwarze, das Dunkle, das möglicherweise Verzweiflung
war, aber auch noch etwas anderes. " (Seite 25) /"Alain fühlte sich wieder glücklich und hatte gleichzeitig Angst. Das schwarze Funkeln in Cliffs Blick fraß sich in sein Innerstes, wie ein Schatz aus einem Märchen, der überall, wo er einmal liegt, verbrannte Erde hinterlässt." (Seite 27) / "Und ich ging einen Schritt rückwärts, von Alain weg. Da saß er und lächelte, in all dem Licht, und er war mir unheimlich" (Seite 37).

Und auch wenn in der Leseprobe noch nicht deutlich wird, was mit Cliff passiert, erahnt man, dass die Beziehung zwischen den beiden Jungen von Gegensätzlichkeit geprägt ist und sie in etwas Existentiellem münden wird: "Er (Cliff) beeilte sich, ihnen nachzurennen, draußen die Straße entlang,
und dachte an Alain, den Schutzengel. Und hasste ihn. Diesen Engel, der
wieder und wieder in seiner Welt auftauchte und Löcher aus Licht in die
Dunkelheit brannte, der jede Regel außer Kraft setzte. In diesem Moment wusste Cliff glasklar, dass er ihn zerstören musste, wenn er überleben wollte." (Seite 44) / "Er spürte, wie die Helligkeit und die Dunkelheit sich mischten, wie sie in Schlieren ineinanderliefen, ohne sich jemals ganz aufzulösen. Es war falsch gewesen; er musste diesen Engel nicht zerstören. Er konnte ihn gar nicht zerstören, er war ein Teil von ihm. Wenn er das Licht zerstörte, zerstörte er auch sich selbst." (Seite 51).

Ein kraftvoller,erzähltechnisch und sprachlich beeindruckender, ganz besonderer Roman! Eine Leseprobe, bei der man enttäuscht ist, wenn man sie zuende gelesen hat! Ein Thema, das aktuell und faszinierend ist!