Ein überaus brennendes Thema

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tochteralice Avatar

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hat sich Autorin Antonia Michaelis für "Die Attentäter" ausgesucht - leider. Denn der IS ist mittlerweile unser aller Alltag geworden, auch hier, im beschaulichen, vermeintlich sicheren Europa. Wie eine Radikalisierung aus unseren Kreisen heraus erfolgen könnte - das erfährt man hier in Deutschland.

Doch zunächst geht es um die Beziehung dreier Kinder - Alain, Cliff und Margarete - die zusammen in Prenzlauer Berg aufwachsen, vor allem geht es um diese drei: seit dem Alter von vier, fünf Jahren leben sie in diesem einen Haus, werden zu Jugendlichen, zu jungen Erwachsenen.

Wobei es zwei Seiten gibt: Alain und Margarete wachsen behütet, von ihren Eltern versorgt und gefördert auf, Cliff nicht. Er hat immer den Eindruck, dass ihn niemand haben möchte auf dieser Welt, dass er allen zu viel ist, ein Klotz am Bein. Seiner Familie jedenfalls. Nicht so Alain - der im Licht stehende, Gute, der immer hilft und vor allem alles verzeiht - und Margarete, die Vernünftige, die immer alles bemerkt, teilweise schon lange, bevor es eintrifft und vor allem stets weiß, was zu tun ist.

Licht und Schatten - das ist der Rote Faden, der sich durch dieses Buch zieht und Cliff rückt immer mehr in den Schatten, wird schon früh radikalisiert, zunächst durch die Rechten, um wenige Jahre danach in den Dunstkreis des IS zu geraten, der mehr und mehr von ihm Besitz ergreift.

Es ist eine sehr, sehr tragische Geschichte, die Antonia Michaelis hier geschrieben hat und sie hat es - wie eigentlich immer - mit Kraft getan, erschreckt und demoralisiert. Vor allem der Mittelstand bekommt einen Spiegel vorgehalten, wobei ich mich aber manchmal fragte, ob es im Hinblick auf das Thema der richtige ist.

Beim Lesen durchzuckte mich wieder und wieder der Gedanke, ob dieses Buch nicht vielleicht zu früh geschrieben wurde, ob hier Ideen und Eindrücke festgehalten wurden, die eigentlich in eine ganz andere Richtung gehen. Möglicherweise wird man das Buch in ein paar Jahren lesen und die Welt darin nicht wiedererkennen, denn die Autorin geht mit ihren Thesen in eine bestimmte Richtung. Ein Wagnis aus meiner Sicht.

Wer sich hier einen Thriller erwartet, in dem der Islamische Staat und sein Einfluss in Deutschland im Vordergrund steht, der ist schief gewickelt bzw. kennt Antonia Michaelis nicht. Es sind immer die Beziehungen, die bei ihr in der vordersten Front stehen, die Individuen und ihre Entwicklungen. Ihre Stärke sind Figuren, was man auch hier wieder spürt, denn ich hatte Cliff, Alain und Margarete, aber auch ihre Eltern und den weiteren Umkreis stets vor Augen. Kopfkino, das ist es, was man beim Lesen von Michaelis-Büchern stets hat. Wobei Cliff aus meiner Sicht ein wenig überladen wirkt, nicht ganz echt, es ist zu viel, was dieser armen Figur aufgebrummt wurde, in jeder Hinsicht. Alle anderen jedoch sind klare Michaelis-Charaktere, wie ich sie seit meinem ersten Roman von ihr schätze - sie haben, wie auch immer sie gepolt sind, ihre eigenen Note.

Ich oute mich als Fan der Autorin und habe mittlerweile schon einige ihrer Romane gelesen und empfinde dieses als das bisher schwächste - wenn auch auf sehr, sehr hohem Niveau. Es ist immer noch ein tolles Buch und ein echter Michaelis. Auch diese Geschichte, in der Engel und immer wieder Vögel eine Rolle spielen - Sie merken es, Symbolik ist stets ein Thema - ist absolut lesenswert, wenn es sie auch ab und zu ein wenig überhastet komponiert wirkt - als sollte dringend ein aktuelles Thema abgearbeitet werden.

Dennoch, auf jeden Fall lesenswert, wenn auch kein Jugendbuch im eigentlichen Sinne, sondern einfach ein spannender Roman für alle, die das Thema und die vor allem Michaelis' ganz spezieller Ansatz interessiert.