Leider zu viele Beziehungskisten

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leseprinzessin1991 Avatar

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Inhalt:
In dem neuen Jugendbuch „Die Attentäter“ von Antonia Michaelis geht es um drei Jugendliche aus Berlin, von denen einer beschließt sich dem IS anzuschließen. Zu Beginn wird man in die Welt der drei Hauptfiguren Alain, Cliff und Margarete eingeführt. Sie wohnen alle im selben Haus in derselben Straße und verbringen schon mit vier Jahren viel Zeit miteinander. Während Alain aus einem harmonischen Elternhaus stammt, repräsentieren Cliffs Eltern die typische Problemfamilie: Sein Vater ist ein Trinker und seine Mutter hat die Familie schon lange verlassen, um Karriere zu machen. Besonders das Verhältnis von Cliff und seiner Mutter wird immer wieder betont und anhand von Situationen geschildert, da es eine große Bedeutung für Cliffs Werdegang hat. Doch nicht nur die Beziehung von Eltern und Kindern wird beschrieben, auch die Beziehung der drei Kinder untereinander nimmt immer mehr Form an.
Cliff ist der dominante Draufgänger, der seine Aggressionen nicht unter Kontrolle hat, Alain hingegen ist fasziniert von Cliff und immer in einer untergeordneten Rolle. Margarete steht irgendwo dazwischen. Die Figuren werden detailliert beschrieben, ihre Ängste, ihre Wünsche und ihre Talente. Sie lieben und hassen einander, doch sie kommen immer wieder zusammen. Die Figurenkonstellation hat mir anfangs gut gefallen, doch ab der Hälfte des Buches hatte ich das Gefühl, dass die Autorin viel zu viel Dramatlk einbauen möchte. Die Figuren fallen in eine merkwürdige Dreiecksbeziehung, in der auch Homoerotik eine Rolle spielt. Ich habe mich da gefragt, ob das nicht etwas zu viele Beziehungskrisen sind und so das eigentliche Thema, die Radikalisierung von Jugendlichen, in den Hintergrund tritt. Auch die Sexszenen fand ich persönlich überflüssig bis ich ans Ende des Buches gelangt bin. Ich hatte überhaupt das Gefühl, dass die ersten 200 Seiten sehr langatmig und zäh waren. Ich verstehe, dass man die Lebenssituationen der Protagonisten kennen sollte, dennoch hatte man das Gefühl, dass die Handlung keinen roten Faden hat. Ab der Hälfte des Romans wird es aber spannender, da man mehr über Cliffs Weg zum Islam erfährt. An dieser Stelle hätte ich mir mehr Szene gewünscht, in denen gbezeigt wird, wie genau Cliff zu Allah gekommen ist. Während die Beziehungsszene ausartend und detailreich beschrieben sind, kommt das spannende Thema leider zu kurz. Ein weiteres Problem sind die vielen Zeitsprünge und Briefe Margaretes an Cliff, die keine Überschriften und Daten tragen. Das hat mich als Leser an einigen Stellen ziemlich verwirrt, weil die Handlung immer wieder in die Vergangenheit gesprungen ist. Teilweise gab es auch Perspektivwechsel, die ich so gar nicht mitbekommen habe.
Neben den Beziehungskrisen ist das Zeichnen ein weiteres großes Thema dieses Romans. Cliff und Alain nehmen die Kunst als Form ihre Gefühle auszudrücken. An dieser Stelle konnte die Autorin mit poetischen Beschreibungen punkten und mir hat besonders der Kontrast zwischen dieser strengen Islamistenwelt und der offenen kreativen Kunstwelt gefallen.
Alles in allem ist das Buch zwar lesenswert, dennoch sollte man wissen, dass es nicht nur das Thema Islamismus behandelt, wie man es vorher erwartet. Wer sich für die Beziehungen Jugendlicher interessiert, wird an diesem Buch viel Freude haben. Wenn man sich jedoch spannende Details über die Missionierung des Glaubens oder die Strategien von radikalen Islamisten erhofft, wird man enttäuscht.