Armut

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ute54 Avatar

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Monika Helfers Roman „ Die Bagage“ handelt von ihrer Familie, deren beschwerliches und ungewöhnliches Leben über drei Generationen erzählt wird.
Eine besondere Beachtung erfährt Monika Helfers Großmutter, die auf dem Cover in halbnackter, verschwommener Pose dargestellt ist. Diese sehr schöne und heißblütige Frau, welche zur Zeit des 1. Weltkrieges mit ihren 4 Kindern außerhalb eines Bergdorfes unter sehr ärmlichen Verhältnissen lebt, muss ohne Ehemann auskommen, da er zum Wehrdienst eingezogen wurde. Sie wird während seiner Abwesenheit von 2 Männern umschwärmt bzw. bedrängt. Die strikten Moralvorstellungen der Dorfbewohner und die Allmacht der katholischen Kirche werden dargelegt, was wohl zu der damaligen Zeit vorherrschend war. Erschreckend ist auch , dass das Thema „Empfängnisverhütung“ wohl mit einem Tabu versehen zu sein scheint. Besonders unter dem Aspekt, dass Maria schwanger wird, aber wohl nicht von ihrem Ehemann.
Die vielzähligen Personen werden nur grob skizziert; deren Schicksale sind sicherlich nicht ungewöhnlich für Angehörige der Unterschicht.
Der Text ist nur durch Absätze gegliedert. Die Autorin arbeitet mit direkten Assoziationen, die den Erzählstrang auf mehreren Ebenen unterbrechen.
Der Schreibstil ist von Redewendungen, Vokabeln und Grammatik der Gegend um Bregenz gekennzeichnet, was für den Leser das Lokalkolorit betont und es es ihm möglich macht, die Personen, auch sozial, einzuordnen. Es gibt in der direkten Rede viele Wiederholungen, wodurch der Text besonders authentisch wirkt.
Ich denke, diese Art zu erzählen, macht das 159 Seiten dünne Werk lebendig und schnell zu lesen. Sicherlich könnte auch ich, wie diverse andere Leute, viele beeindruckende und grausame Fakten, die oft unter den Tisch gekehrt wurden, über meine Vorfahren zu Tage fördern.
Es war aber ein erfrischendes Leseerlebnis.