Auf den Spuren der eigenen Herkunft

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theresia626 Avatar

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Monika Helfers Roman „Die Bagage“ erzählt mehr als ein Jahrhundert Familiengeschichte, beginnend mit dem Jahr 1914. Josef und Maria Moosbrugger leben weit abseits von einem Bergdorf in Vorarlberg unter ärmlichen Verhältnissen. Sie haben vier Kinder und nur zwei Kühe und wenige Ziegen. Überleben können sie nur, weil Josef mit dem Bürgermeister dubiose Geschäfte macht. Josef ist ein gut aussehender, starker Mann, aber seine Frau ist von überwältigender Schönheit. Alle Männer begehren sie, alle Frauen sind eifersüchtig. Das wird zum Problem, als Josef eingezogen wird und nur wenige Male Fronturlaub bekommt. Als Maria schwanger wird, glaubt niemand, dass Josef der Vater des Kindes ist. Maria hatte auf dem Hof Besuch von einem Deutschen, und auch der Bürgermeister, der eigentlich auf sie aufpassen sollte, stellt ihr nach. Für die Lebensmittel, mit denen er die Familie in schweren Zeiten versorgt, erwartet er eine Gegenleistung. Als Josef nach Ende des Krieges von den Gerüchten hört und den Klatsch glaubt, verlässt er seine Frau nicht, ignoriert aber Grete für immer. Diese Grete war die Mutter der Autorin, und als Leser kann man nur spekulieren, wie sich diese traumatische Erfahrung generationsübergreifend auswirkt.

Monika Helfer schreibt basierend auf ihren eigenen Erinnerungen und auf den Erzählungen der Verwandten, vor allem ihrer Tante Kate, ihre Geschichte auf, und zeigt Frauenschicksale in dieser zurückgebliebenen Bergregion, berichtet aber auch über all die Schicksalsschläge und Todesfälle, die die Mitglieder der Familie in vier Generationen treffen. Mich hat der kurze Roman sehr beeindruckt. Er ist dem gegenwärtigen Trend autofiktionalen Erzählens zuzurechnen, dessen überragende Vertreterin für mich bisher die Französin Annie Ernaux war. “Die Bagage“ hat Monika Helfer nun zu Recht berühmt gemacht.