Auf wahren Begebenheiten beruhende Familiengeschichte

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Das Jahr 1914 ist schicksalsträchtig für die Familie der Autorin Monika Helfer, denn damals wurde im September ihr Großvater zum Wehrdienst eingezogen. Aber sie erzählt in ihrem Roman „Die Bagage“ nicht nur die Geschichte ihrer Großeltern und deren Kinder, sondern erinnert sich auch an Episoden aus ihrem eigenen Leben.

Ihre Großeltern Josef und Maria Moosbrugger wohnten ganz am Ende eines kleinen Dorfs in Vorarlberg auf einer Anhöhe. Ihr kleiner Bauernhof stand dort recht einsam, der Boden war karg und die Arbeit darauf mühsam. Später sollte das Paar einmal sieben Kinder haben, zur Zeit der Einberufung waren es vier. Grete, die Mutter von Monika Helfer wurde zu Kriegszeiten geboren. Wer Gretes Vater tatsächlich ist, weiß wohl nur Maria. Wie es zu diesem Mysterium gekommen ist, davon erzählt die Autorin in ihrem Roman. Der Titel des Buchs ergibt sich aus der Nutzung des Begriffs „Bagage“ für diejenigen, die am unteren Ende der gesellschaftlichen Schicht standen. Auch hier bei uns am Niederrhein wird die Bezeichnung abwertend für eine als lästig empfundene Gruppe genutzt.

Monika Helfer schildert das Geschehen in einem eigenwilligen Schreibstil mit meist kurzen Sätzen. Dennoch beschränkt sie sich nicht nur auf das Wesentliche, sondern versucht mögliche Erklärungen für das Verhalten ihrer Verwandtschaft zu finden. Eine wesentliche Quelle für sie, waren die Gespräche mit ihrer Tante Katharina, der ältesten Schwester ihrer Mutter, die damals im Herbst 1914 elf Jahre alt war. Manchmal verlässt die Autorin abrupt die Erzählebene des außenstehenden Betrachters um sie als Ich-Erzähler mit Ereignissen aus ihrer eigenen Erinnerung fortzusetzen.
Maria legt sehr viel Wert auf saubere Kleidung. Ihr ist bewusst, dass sie allgemein als schön gilt und ihr daher Männer gerne Avancen machen. Es ist ein ärmliches Leben, das durch das Fehlen des Vaters zu Kriegszeiten dazu führt, dass kaum mehr genug zu essen da ist. Maria versucht das beste aus der Situation zu machen. Es wird deutlich, dass zu vergangenen Zeiten der Liebe ein anderer Stellenwert zukommt wie heute, denn um eine Ehe zu führen war sie früher nicht entscheidend.

Monika Helfer füllt die fehlenden Informationen mit ihrer Fantasie und versucht auf diese Weise die Beweggründe ihrer Großmutter nachzuvollziehen. Ganz bestimmte Ansichten über einzelne Familienmitglieder stellt sie durch Wiederholungen heraus. Anhand vieler, kleiner Episoden, die sich in der Realität so zugetragen haben, baut sie Szenen weiter aus. Zeitsprünge, auch zu Erlebnissen im Leben der Autorin, machten mir das Lesen nicht immer einfach.

Monika Helfers Roman „Die Bagage“ ist nur teilweise fiktiv. Die meisten Begebenheiten beruhen auf Geschichten aus ihrer eigenen Familie. Sie gab mir als Leser Einblicke in den harten Alltag ihrer Großmutter, deren Handlungen auch die nachfolgenden Generationen geprägt haben. Die Autorin versteht es, die Fakten ansprechend aufzubereiten, so dass es unterhaltsam ist, den Schilderungen zu folgen. Gerne vergebe ich hierzu eine Leseempfehlung.