Ein beeindruckendes Familienporträt

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Auf der Suche nach den eigenen Wurzeln trägt Monika Helfer in ihrem jüngsten Buch die Erinnerungen der gesamten Familie zusammen. Es entsteht das Porträt einer "Bagage", die in ihrem Ort, einem armseligen Bergbauerndorf im Bregenzerwald, voller Verachtung geschnitten wird.

Die Hauptprotagonisten ihres Romans sind ihre Großeltern, Josef und Maria Moosbrugger, und deren Kinderschar. Die Familiengeschichte beginnt 1914 und spannt den Bogen teils bis in die Gegenwart. Womit ihr Großvater eigentlich sein Geld verdient, bleibt nebulös. "Dubiose Geschäfte" werden angedeutet. Auch sie haben nicht unwesentlich dazu beigetragen haben, dass man den Moosbruggers - gelinde ausgedrückt - mit einem gewissen Argwohn gegenüber stand.

Kurz nach Beginn des ersten Weltkriegs wird Josef als Soldat einberufen. Der Bürgermeister, offensichtlicher "Geschäftspartner" von Josef, soll auf dessen Bitte hin ein Auge auf die Ehefrau werfen und dafür sorgen, dass bloß keiner aus dem Dorf seiner Maria, einer umwerfenden Schönheit, zu nahe kommt.

Während der Bürgermeister anfänglich noch seine schützende Hand über die Familie legt und sie finanziell unterstützt, wird mit der Zeit klar, dass dies nicht aus reinem Altruismus geschieht. Im Gegenteil: Als er herausfindet, dass Maria einem Fremden kurzfristig mehr als ihr Herz geschenkt hat, rastet er vor Eifersucht förmlich aus. Maria wehrt ihn energisch ab – und vorbei ist es mit den Zuwendungen.

Kurz nach dem Techtelmechtel mit dem schönen Unbekannten aus Hannover bekommt Josef Fronturlaub… und Maria wird schwanger mit Grete, der Mutter von Monika Helfer. Die unvermeidlichen Gerüchte machen blitzartig ihre Runde. Der Pfarrer wettert im Gottesdienst von der Kanzel herab. Die Dorflehrerin nennt Maria ungeniert eine Hure. Josef ist felsenfest davon überzeugt, diese Grete ist nicht von ihm. Er wird sie zeit seines Lebens schlichtweg ignorieren.

Mehr möchte ich hier nicht über den Inhalt verraten. Auch nicht mehr über die anderen Familienmitglieder, die von der Autorin peu à peu ins Spiel gebracht werden.

Zum Schreibstil:
Monika Helfer erzählt kompromisslos, realitätsnah, unsentimental, ohne jeden Schnörkel und hundertprozentig authentisch, indem sie die einfache Sprache jener Menschen benutzt, die sie beschreibt. Das Ganze spult sich ab wie ein Film in Rückblenden und zwar derart gekonnt, dass der Leser keine Sekunde den Faden verliert.

Ist das Buch zum Weiterempfehlen? Oh ja, das ist es ist. Die Stärke der Autorin liegt in ihrer Fähigkeit, in knappen Beschreibungen Charaktere zu formen. Ihre Figuren kommen aus dem ungeschminkten Alltag. Und das Wichtigste: Helfer trifft immer den richtigen Ton.


Mit einem herzlichen Dankeschön an den Hanser Verlag
Amadea