Große Literaturkunst aus Österreich!

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Mit viel Feingefühl spürt Monika Helfer in ihrem Roman „Die Bagage“ ihre familiäre Herkunft auf. Darin erschafft sie einen autobiografischen Abriss einer Familienchronik mit bemerkenswerten Zeitsprüngen. Gegenwärtiges wird in Beziehung zu Vergangenem gesetzt, um die Frage der persönlichen Verwurzelung zu klären. Was bleibt, wenn man die eigene Herkunft zerpflückt? Wird die Geschichte der vorangehenden Generationen zur einprägsamen, eigenen Geschichte?

Helfer erkundet in ihrem Roman die familiären Wurzeln ihrer Großeltern, die in einem abgeschiedenen Tal verborgen liegen. Die scheinbare Idylle in Vorarlberg trügt. Trotz der Zurückgezogenheit der Familie Moosbrugger bleibt nichts im Verborgenen. Von der Dorfgemeinde abwertend als „Bagage“ diskreditiert, reiht sich ein Vorurteil an das nächste. Denn Maria Moosbruggers Schönheit verleitet zu Begehren und Unterstellungen der Untreue und ihr Mann Josef scheint mit dem Bürgermeister illegale Geschäfte zu pflegen. Auch der Ausbruch des Ersten Weltkrieges wiegt schwer. Gerüchte und halbe Wahrheiten treten ans Tageslicht und eröffnen Zweifel an der Vaterschaft eines Kindes namens Grete, die die Mutter von Monika Helfer ist.

In einfachen Worten und unstrukturierten Erzählsträngen zeichnet sich ein geordnetes Bildnis einer Familie ab, der der Krieg alles genommen hat. Nichtsdestotrotz erweckt die Familie den Eindruck, einander viel zu geben. Auf der Suche nach der Herkunft formen sich charakterstarke Identitäten und zugeschriebene Rollenbilder einzelner Familienmitglieder. Die dramatischen Wendungen und Schicksale bleiben in sich verschachtelt und doch ergibt sich verbunden mit dem Gegenwärtigem eine nahbare, reflektierte Perspektive. Bedrückend und zugleich melancholisch schön lässt sich eine Verbundenheit erahnen. Erschütterungen aus der Kindheit pflastern die Lebenswege der Geschwister, die sich immer wieder kreuzen.
Als einzige Quelle, die Lücken der Erinnerung zu Fragmenten aneinanderreiht, dienen die Erzählungen von Helfers Tante Kathe, die selbst Protagonistin dieses beeindruckenden Romans ist. Ein Netz aus Lügen spinnt sich um Verborgenes, das nach und nach in die Wirklichkeit vordringt. Zurück bleiben Brüche und alte Glaubenssätze, die sich wie Narben von Generation zu Generation vererben. Helfer skizziert eindringlich und scharfsinnig die Protagonisten ihres Romans, die Stärke, Zusammenhalt und Überlebenswillen beweisen und der gesellschaftlichen Vorverurteilung trotzen.

Große Literaturkunst aus Österreich

„Die Bagage“ der österreichischen Autorin Monika Helfer ist eine würdige Spurensuche nach der eigenen Herkunft. Helfer bringt Unausgesprochenes ans Tageslicht, ohne dabei ihre Familie zu entwurzeln. Wie die Autorin ihre Familiengeschichte erzählt, ist beeindruckend. Die generationsübergreifenden Erzählungen und Brüche innerhalb der Familie wirken nach. Klare, einfache Worte reihen sich in eine unstrukturierte Erzählform mit lebendigen Szenen ein, in denen sich Gegenwärtiges mit Vergangenem vermischt.