Intensiv

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Kurz, aber intensiv: so zeigt sich für mich Monika Helfers Roman „Die Bagage“.
Auf den Spuren ihrer Großeltern Maria und Josef Moosbrugger versucht sie dem Geheimnis um die Geburt ihrer eigenen Mutter Margarethe näher zu kommen, die während des Ersten Weltkrieges als fünftes Kind in dem ärmlichen Haus am Ende eines kleinen Bergdorfes zur Welt kam. Kann Josef, der zu jenerZeit als Soldat eingezogen aber einige Male auf Heimaturlaub war, tatsächlich der Vater sein? Im Dorf wird viel gemunkelt, aus Bosheit oder vielleicht Neid auf die „schöne Maria“ oder Josefs „Geschäftchen“, mit denen er die Familie über Wasser hält. Auch der Pfarrer mischt sich ein. Josef selbst ist verunsichert; er akzeptiert die kleine Grete nicht, so lange er lebt.
Aus Erzählungen der überlebenden Geschwister ihrer Mutter gestaltet Monika Helfer ein Bild der armen Großfamilie im Bergdorf, von den anderen Bewohnern abfällig „Bagage“ genannt, und schmückt es mit ihrer Vorstellung von Maria und ihrer Lebenssituation aus. Wie lebte es sich in einem Dorf zu Beginn des 20. Jahrhunderts, unter den wachsamen Augen der Mitbewohner und den selbstgerechten Urteilen der Kirche? Die Autorin wertet nicht, doch zwischen den Zeilen steckt eine Menge Kritik. Gerade durch ihre schlichte, stark verkürzte Sprache erreicht sie Authentizität und eine hohe Intensität. Immer wieder nutzt sie Zeitsprünge in die Gegenwart und stellt damit die Verbindung zwischen ihr und ihren Großeltern her. Sie reflektiert über Familiengemeinsamkeiten und –zusammengehörigkeit; denn schließlich wirken (unverarbeitete) Erlebnisse weiter fort, oft über Generationen hinaus.
Mein Fazit: ein ruhiger, aber intensiv nachwirkender Roman.