Was wäre, wenn ... ?

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
rwe25 Avatar

Von

Im Urlaub hat man viel Zeit zum Lesen. Und wenn es sich dabei noch um solch amüsante und kurzweilige Lektüre wie Roger Schmelzers _Die besten zehn Sekunden meines Lebens_ handelt, dürfte der Urlaub nie aufhören.

Kann man sich sein zukünftiges Leben in 10 Sekunden dermaßen verbauen, dass es völlig andere Bahnen einschlägt als die, die man sich vorgestellt hat? Chris Mackenbrock, 16 Jahre alt, Kumpeltyp und ziemlich dick, steht plötzlich seiner Traumfrau gegenüber, wird aber als Junge nicht wahrgenommen. Wie wäre das Leben verlaufen, hätte er diese eine Situation nicht vergeigt? Mit viel Augenzwinkern und Witz verfolgen wir Chris’ Leben, bis er 40 ist. Er hat sich mit seinem Leben und vor allem seiner Leibesfülle arrangiert, ist sogar seit Jahren in festen Händen und hat Spaß im Job; dennoch geistert ihm nach wie vor seine Traumfrau und die Situation von damals und vor allem die Frage: _Was wäre, wenn …?_ im Kopf rum.

Über Nacht bekommt er nun die Möglichkeit, den „Fehler“ von damals wiedergutzumachen. Nur: Würde das Leben nach Richtigstellung dieser einen Entscheidung völlig anders verlaufen, und vor allem nach Plan? Kommt man nicht vielmehr ständig an Wegkreuzungen, an denen man Entscheidungen treffen muss, wo jede einzelne die Richtung des Lebenswegs neu bestimmen könnte? Wäre wirklich alles so eingetroffen wie geträumt, hätte man sich in Situation X für Weg Y entschieden?

Chris muss jedenfalls die Erfahrung machen, dass er sich die ganze Zeit was vorgemacht hat. Selbst nachdem er die zweite Chance bekommen hat, läuft längst nicht alles in seinem Leben reibungslos, und ihm wird klar, dass er sein Schicksal selbst in der Hand hat und vor allem selbst dafür verantwortlich ist.

Roger Schmelzers Stil ist ähnlich flott und witzig, wie man es von einem Sitcom-Drehbuchautor erwarten würde. Man hat das Gefühl, inmitten einer Comedy-Folge zu sein (jedoch zum Glück ohne das eingespielte Zuschauerlachen); jedenfalls ist alles dermaßen bildlich beschrieben, dass man sich als Zuschauer in der Geschichte wiederfindet. Vielleicht ist es der „Normalo“ Chris, vielleicht sind es die Verweise auf reale Ereignisse (Gründung der Grünen und Protestbewegung in Wackersdorf in den 80ern, Suchtreffer bei Google, Verleihung des Fernsehpreises), die die Geschichte so liebenswert und nachfühlbar machen. Chris könnte ein Nachbarsjunge oder auch ein Schulfreund sein, den man seit der Jugend kennt und der einem plötzlich wieder über den Weg läuft.

Mir hat das Buch nicht zuletzt aufgrund des unterhaltsamen, humorvollen, aber auch nachdenklich-einfühlsamen Stils sehr gefallen. Das Thema des Buches (_Was wäre, wenn …?_) ist durchaus tiefgründig; Schmelzer schafft es aber auf seine Art, es in eine unterhaltsame Geschichte einzubetten, die sowohl zum Schmunzeln als auch dennoch zum Nachdenken anregt.