Faszinierende Einblicke ins 19 Jahrhundert

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Der historische Roman ,,Die Bildhauerin" von Pia Rosenberger erscheint am 12.April 2021 im atb Verlag.

Das Cover ist hübsch gestaltet mit allen wesentlichen Elementen aus diesem Roman.

Camille Claudel geht 1881 neue Wege. Ihr Ziel ist es Bildhauerin zu werden. Allen Widerigkeiten zum trotz geht sie ihren Weg. Mit der Unterstützung ihres Vaters kann sie an einer privaten Académie studieren. Zusammen mit einigen Freundinnen mieten sie ein kleines Atelier, wo sie schließlich Rodin kennen und lieben lernt. Sie wird zu seiner Muse, geliebten, Inspiration und Kritikerin.

Der Schreibstil der Autorin ist flüssig, gut zu lesen und leicht zu verstehen. Die kürze der Kapitel fördert das durchflieg durch die Seiten. Die Charaktere sind zum größten Teil gut durchdacht,ehrlich und authentisch.
Camille kann man fast nur Bewundern. Für sie zählt nichts mehr in ihrem Leben als BIldhauerin zu werden. Sie modelliert seid frühester Kindheit und zum entsetzen ihrer Mutter ,schüppt sie den Lehm dafür auch selber und ist ständig mit einer weißen Schicht aus Staub und Gips bedeckt.
Sie ist sehr Willensstark bisweilen sogar sehr aufbrausend.Sie bringt nicht unbedingt viel Geduld für andere Menschen auf, nicht nur ihrer Mutter gegenüber sondern auch manchmal ihren Freundinnen, was diese aber meistens mit einem lächeln abtun.
Wenn sie auch manchmal sehr schnippisch oder sogar arrogant rüber kommt, dann ist es ihrer Unsicherheit in zwischenmenschlichen Beziehungen geschuldet.
Man kann sogar sagen das ihr die Kunst mehr bedeutet als Freundschaften. Aber wenn man in einer Männerdomäne anerkennung bekommen möchte dann muss man härter Arbeiten als jeder Mann.
Als sie dann schließlich Rodin, den genialsten Bildhauer der Zeit kennen lernt, ist sie sofort hin und weg von ihm. Gerade sie die mit sowas wie Liebe und Gefühlen nichts am Hut hat. Sie steigt aus ihrem Elfenbeinturm der Kunst und stürzt sich in eine leidenschaftliche Affäre mit ihrem Lehrer, der noch dazu seit langem vergeben ist. Das scheint aber in der damaligen Zeit Gang und Gebe zu sein. Männer dominierte Welt. Unfassbar aus heutiger Sicht.
Trotz aller Streitereien und Auseinandersetzungen stellt Rodin sie aber den richtigen Leuten vor und verhilft ihr zu Bekanntheit.
Mann könnte vermuten das sie das aus Berechnung getan hat, aber das kann ich mir, so wie man sie im Buch kennen lernt, nicht vorstellen . Dafür wirkt sie Anfangs in allen körperlichen Sachen viel zu naiv und unbedarft. Sie bleibt ja auch bei Rodin , obwohl ihr schon sehr früh von verschiedenen Menschen geraten wurde, sich zum einen nicht auf ihn einzulassen und zum anderen den Beruflichen Absprung,von ihm, nicht zu verpassen.
Denn Auguste Rodin ist ein Künstler durch und durch. Er geht dafür auch über ,,Leichen" und nimmt, wenn er den Perfekten Augenblick eingefangen hat, nichts anderes mehr wahr. Er frisst die Seelen seiner modelle mit haut und Haaren und alles um ihn herum. Es gibt nicht viele die ihm die Stirn bieten können und auf die er dann auch noch hört. Dafür hat er in seinem Leben zu viel ,,Scheiße gefressen " bis er endlich der Künstler geworden ist der er war.
Wie scheinbar alle Männer der damaligen Zeit hat er alle unbequeme Fragen und Entscheidungen die nicht primär mit Kunst zu tun hatten weit von sich weggeschoben.
Ich finde diesen Charakter sehr authentisch.
Camills Freundinnen Amy und Emily sind gut gelaunte Mädchen,die Spass am Leben haben und den Beruf der Bildhauerei nicht ganz so zielstrebig verfolgen wie sie. Aber sie stehen Camille in allen Lebenssituationen treu zur Seite und helfen ihr wo sie nur können.
Auch die Familienmitglieder sind spannend zu lesen.
Die Mutter war mir von Anfang an unsympathisch, mit ihrer Kalten, unnahbaren Art. Im Verlauf habe ich sie leidenschaftlich gehasst.
Der Dichter und Denker der Familie, Paul, hat mich fasziniert wie er versucht hat nicht unter zu gehen zwischen den zwei starken weiblichen Charakteren. Er hat seinen Platz in der, für einen Mann nicht minder, harten Welt gefunden.
Der Charakter der Schwester Louise war mir nicht ganz klar. Sie trägt nicht wesentlich zu dem Buch bei und war auch nicht unbedingt eine Sympathie trägerin.
Ähnliches dachte ich ohne Hintergrundwissen auch über Debussy. Damit hat sich aber alles verändert.
Ich habe das Buch sehr gerne gelesen. Man bekommt eine sehr guten Einblick in die Bildhauerei ohne das es überstrapaziert. Ich bin faszieniert von den damaligen Verhältnisse. Das Ehepaar Claudel Siezt sich wenn sie miteinander reden. Die Mädchen wissen nichts über sich und ihren Körper und müssen erst die Italienischen Modelle (in Cammils Fall) zu allen körperlichen Sachen befragen. Männer regieren die Welt und behandeln Frauen wie naive dummchen. Da fängt man an zu verstehen warum Frauen seiner Zeit für ihre Rechte auf die Straße gegangen sind und ihre BHs verbrannt haben.
Was mich allerdings etwas enttäuscht zurück lässt ist das Ende. Nach dem Drama ihres Lebens wirken die letzte Kapitel dahergehuscht und auf die schnelle zusammen gefasst. Das richtige Ende ist offen und macht für mich nicht wirklich Sinn. Man könnte alles und auch wieder nichts hineininterpretieren.
Mit Hintergrundwissen hätte ich mir da eine etwas elegantere Lösung gewünscht.

Wer ein Buch mit Liebe ,leidenschaft,Sex, Intriegen,Freundschaft, Drama und Kunst vor dem historischen Hintergrund des 19 Jahrhunderts lesen mag, dann ist das genau das richtige.
Klare Kaufempfehlung