Kunst ist Kunst

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lesefee23.05 Avatar

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„Kunst ist Kunst, egal, ob eine Frau oder Mann sie schafft.“

„Die Bildhauerin“ ist ein Roman von Pia Rosenberger. Er erschien im April 2021 und gehört zu der Buchreihe „Außergewöhnliche Frauen zwischen Aufbruch und Liebe“ aus dem Aufbau Verlag. Dabei ist er aber in sich abgeschlossen und kann eigenständig gelesen werden.
Paris, 1881: Camille Claudel weiß, was sie werden möchte. Bildhauerin, denn das ist sie mir Leib und Seele. Als Frau ist dieser Weg im 19. Jahrhundert jedoch noch nicht so einfach, sodass sie sich ihren Platz in der Welt der Kunst erkämpfen muss. Dabei ist sie stets auf der Suche nach der Wahrheit, die Liebe ist für sie unwichtig… Bis sie Auguste Rodin begegnet und sich alles ändert…

Leider hat mir der biografische Roman über Camille Claudel insgesamt nicht so zusagen können. Ich empfand die Handlung über weite Strecken sehr zäh und langatmig, mit Camille als Protagonistin konnte ich leider nicht wirklich warmwerden.
Sie ist egozentrisch, anstrengend, kontrollsüchtig, von sich selbst überzeugt und launisch. Sie sieht sich selbst als etwas Besseres, hat hohe moralische Werte und erkennt gesellschaftliche Missstände oder moralische Fehlhandlungen. Trotzdem billigt sie aber gerade Rodins Handlungen immer wieder, handelt selbst meist zu ihrem eigenen Vorteil und stößt damit ihre wahren Freunde sowie ihre Familie von sich: „Dir ist kein Preis zu hoch für deine Kunst, oder? Du bist bereit, sogar deine Freunde dafür zu opfern.“. Camilles Verhalten und Charakter sind zwar zum einen sehr authentisch und auch passend zu dem, was man über die reale Camille Claudel weiß und zum anderen sogar stimmig, wenn man überlegt, welchen Weg die junge Frau einschlägt, in einer Zeit, in der die Frau noch in ihrer typischen Rolle als Hausfrau und Mutter gesehen wurde. Dennoch hat mich ihre Art irgendwie genervt, zudem das Drama, das sie aus allem macht… Dadurch fiel es mir sehr schwer, mich auf sie und ihre Geschichte einzulassen.
Auch hatte ich irgendwie einen anderen Lebensweg erwartet und nicht das Leben an der Seite von Rodin als dessen Affäre/Gefährtin und Muse. Obwohl sie nämlich für ihren Traum der Bildhauerei und ihre eigene Freiheit kämpft und Liebe für sich als „Verschwendung“ ausschließt, verfällt sie Rodin völlig und bleibt sie in seinem Schatten zurück und verweilt in einer Beziehung, die geprägt ist von Streit, Emotionen und Wutausbrüchen. Auch dieses entspricht wohl allerdings der Realität, sodass ich wirklich beeindruckt bin, wie nah der Roman an der wahren Figur Camille Claudel dran ist. Interessant fand ich auch die mehrfachen Begegnungen mit Claude Debussy, die als Nebenhandlung immer mal wieder auftreten.
Natürlich werden einige Aspekte von Camilles Lebensweg künstlerisch umgeschrieben und auch nur der erste Lebensabschnitt von Camille beschrieben, dennoch bekommt man einen realistischen Eindruck in ihren Lebensweg sowie in die damals bestehenden Rollenbilder. Immer wieder wird ihr eingeredet, dass die Bildhauerei nichts für eine „schwache Frau“ sei und dass sie lieber nur kleine Skulpturen formen sollte. Es wird deutlich, wie schwer es für eine Frau war, das zu tun, was sie sich wirklich wünscht und nicht nur „brave Ehefrau“ zu sein. Trotz Camilles entsprechendem Talent fasst sie nur schwer Fuß in der Künstlerszene und wird selbst von den Menschen in dieser Szene als Außenseiterin betrachtet. Dabei sind es ja gerade diese Menschen die eher alternativ denken und die klassischen Rollenbilder missachten…
Beeindruckend fand ich die Unterstützung, die Camille von ihrem Vater bekommt sowie ihre sture Haltung gegenüber der Mutter, die damals tatsächlich alles andere als üblich war.
Der Schreibstil sowie die personale Erzählperspektive waren für mich leider ebenfalls nicht überzeugend. Ich hätte mir gewünscht, dass die Emotionen besser transportiert werden und der Schreibstil insgesamt etwas flüssiger und weniger sachlich gewesen wäre. Gerade der Einstieg in den Roman war für mich sehr zäh und schwierig, erst im letzten Drittel wurde die Handlung für mich spannender, der Lesefluss flüssiger, aber dennoch irgendwie nicht vollkommen überzeugend. Außerdem fehlte mir ein Nachwort im Buch, dass auf die reale Camille Claudel eingeht und die Darstellung im Roman noch einmal erläutert.

Mein Fazit: Insgesamt denke ich, dass der erste Lebensabschnitt von Camille Claudel gut und realitätsnah dargestellt wurden. Es wird deutlich, wie sie zu einer wirklich guten Bildhauerin wird und welche Schwierigkeiten ihr dabei begegnen. Dennoch konnte mich die Geschichte nicht fesseln und ein richtiger Lesefluss entstand leider nicht. Daher vergebe ich nur 3 von 5 Sternen für „Die Bildhauerin“ von Pia Rosenberger.