Vom Bauernmädchen zur geachteten Künstlerin

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„Ich sehe linkisch aus, dachte sie. Eine blutjunge Bäuerin aus der Champagne mit einem Hinkebein, die sich anmaßt, Bescheid zu wissen. Oh nein, wehrte sie sich. Ich bin Camille Claudel. Ich werde mich durchsetzen. Ich muss.“

Diese Ich-Beschreibung Camille Claudels auf Seite 179 des historischen Romans von Pia Rosenberger trifft die Intention des Buches – und das Leben Camille Claudels - recht gut. Rosenberger beschreibt die jungen Jahre der begnadeten Künstlerin so gut, dass man unvermutet selbst im Paris des Fin de Siecle landet, mit leidet, mit kämpft, mit enttäuscht ist aber auch die große Freude verspürt, die Claudel stellenweise empfunden haben muss.
Ich gestehe, dass ich ein großer Fan der Frauen-Reihen aus dem atb bin. Gut finde ich alle, denn allein die Tatsache, dass man Personen der Zeitgeschichte näher gebracht bekommt, ist spannend. Natürlich gibt es dabei richtige Knaller, aber auch welche, die nicht ganz so gut bei mir ankommen. Rosenbergers Roman über Camille Claudel rangiert bei mir im oberen Mittelfeld und hat sich die fünf Punkte redlich verdient. Sie schafft den Spagat zwischen künstlerischem Werk und Leben der Protagonistin meisterlich darzustellen. Und bringt dem/der Leser:in neben der Person auch die Kunst Claudels näher - auch und gerade, wenn man bisher mit der Kunstrichtung Bildhauerei nicht so viel anfangen konnte.
Wenn man sich die Lebensgeschichten von Frauen in der Kunst vor Augen führt, zeigt sich, dass sie einige Wesenszüge aber auch Lebensumstände gemeinsam haben. Zum einen sind sie starke Persönlichkeiten mit Vision haben und sich durchsetzen (können). Meistens ist ihnen das schon in frühen Lebensjahren klar. Zum anderen kämpfen sie (was man allerdings auch heute noch gut beobachten kann) gegen eine gewisse Überheblichkeit ihrer männlichen Kollegen an. Diese merken häufig sehr schnell, dass sie in der Frau ein gleichwertiges wenn nicht sogar besseres künstlerisches Pendant vor sich haben, wobei es den wenigsten gelingt, das Können der Künstlerin öffentlich anzuerkennen.
So auch Camille, die eher durch einen Zufall bei dem schon angesehenen Bildhauer Rodin landet. Wie sie dahin kommt, Ihre Gedanken, der fiktive künstlerische Dialog, bringen einem aber nicht nur Claudel näher, sondern lassen auch einen Blick auf Rodin zu.
Der Roman umfasst insgesamt sieben Jahre ihres Lebens und endet mit der Erschaffung der „Sakuntala“, ihrem wohl bekanntesten Werk. Er beschreibt sowohl ihre schwierige Beziehung zu ihrer Familie (ihre Mutter lehnte Camilles Lebensstil ab) als auch zu August Rodin. Die Zeit ihres Absturzes bis zu ihrem Lebensende könnte auch noch in einen Roman gefasst werden, und würde das Bild dann abrunden.
Ich kann den Roman guten Gewissens empfehlen. Pia Rosenbergers Schreibstil ist flüssig und eingängig, womit sich das Buch auch gut lesen lässt.
Von mir gibt es dafür die volle Punktzahl: 5 Sterne