Sturm zieht auf in der Idylle…

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Wer abgelegene Inseln, düstere Geheimnisse und psychologische Abgründe mag, für den klingt Die Bucht von Liz Webb auf den ersten Blick nach einem echten Pageturner. Und ja, das Setting hat absolut Potenzial: eine raue, windgepeitschte Insel vor der schottischen Küste, ein Paar auf der Suche nach einem Neuanfang – und dann ein mysteriöser Unfall, der alles kippt. Klingt nach Gänsehautstoff, oder?

Die Stimmung ist definitiv das Highlight des Buches: neblig, kalt, fast schon klaustrophobisch – man spürt beim Lesen förmlich, wie der Wind an den Fensterscheiben rüttelt. Die Bucht ist nicht nur landschaftlich eine Sackgasse, sondern auch emotional. Nancy, die Protagonistin, ist ständig am Zweifeln, Beobachten, Grübeln – was einerseits authentisch wirkt, aber sie mir nicht immer nähergebracht hat. Es ist ein bisschen, als würde man durch ein beschlagenes Fenster schauen: Man erkennt Umrisse, aber so ganz klar wird einem nicht, was in ihr vorgeht.

Die Handlung? Baut sich langsam auf, ein bisschen wie das Wetter dort – erst tröpfelt’s, dann plötzlich Sturm. Es gab ein paar unerwartete Wendungen, aber manchmal auch Passagen, die sich zogen wie Kaugummi. Ich hab mich stellenweise gefragt, ob ich wirklich weiter rausfinden will, was Calder – ihr Mann – so alles verbirgt. Spoiler: Einiges. Aber auch nicht alles war für mich logisch oder wirklich überraschend.

Der Schreibstil ist angenehm flüssig, mit kurzen Kapiteln und einer eher nüchternen Sprache, die zur Atmosphäre passt. Trotzdem fehlte mir stellenweise ein bisschen das emotionale Echo – dieses literarische Wumm, das man bei psychologischen Thrillern oft erwartet.

Alles in allem war Die Bucht für mich wie ein nebliger Spaziergang am Meer: stimmungsvoll, leicht fröstelnd, mit Momenten, in denen man stehenbleibt und denkt “Jetzt wird’s spannend” – aber der ganz große Sturm blieb dann doch aus. Deshalb solide 3 von 5 Sternen.