Historischer Roman mit Tiefgang

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Es gibt so Bücher, die schlägt man auf, liest die ersten Sätze und vergisst die Welt. Genau das schafft Kai Meyer bei mir schon seit 27 Jahren.

»Bomben fielen vom Nachthimmel, als der Junge sein Gefängnis verließ, den Raum ohne Fenster, den Raum voller Bücher. Er war zehn Jahre alt und ebenso lange eingesperrt gewesen.« S. 5

Damit beginnt die brillant erzählte Geschichte um ein geheimnisvolles Buch, einen Jungen ohne Erinnerung und die Magie des Lesens.
In der Nacht vom 3. auf den 4. Dezember 1943 werden große Teile Leipzigs durch Bombenangriffe dem Erdboden gleichgemacht, auch das Graphische Viertel, in dem sich zahlreiche Verlage, Buchhandlungen, Druckereien und Buchbindereien befinden. Ein ominöser Bücherdieb befreit den Jungen, damit dieser ihm aus den brennenden Trümmern ein besonderes Buch rettet.

1933 Verliebt sich der Buchbinder Jakob Steinfeld in Juli, die Tochter der Verlegerfamilie Pallandt. Sie möchte ihm ihr Manuskript anvertrauen, verschwindet aber kurz darauf spurlos.

Fast 30 Jahre später ist Robert, Jakobs Sohn, ebenso in Bücher vernarrt. Bei einer Bibliotheksauflösung des alten Pallandt stößt er auf Bücher, die es eigentlich gar nicht geben dürfte.

Wer Bücher liebt, wer sich für Geschichte interessiert und zur Bibliophilie neigt, wird dieses Buch lieben. Der historische Roman lebt vor allem von dem enormen Spannungsbogen und den drei Zeitebenen und seinen unvergesslichen Charakteren.
Spielerische werden hier vielen historische Fakten eingebunden, Handlungsschauplätze so beschrieben, als sei man mittendrin.
Das Buch ist eine Liebeserklärung an die Welt der Bücher. »Geheimnisumwitterte Antiquariate, gewaltige Bibliotheken, die Liebe zu Geschichten und zur einzig wahren Bücherstadt«, so beschreibt Kai Meyer seinen neusten Roman. Damit hat er ein Stück Zeitgeschichte geschaffen, von dem ich nur in Ansätzen wusste. Ich kannte weder das Graphische Viertel, das es seit ca. 1900 gibt und in besagter Nacht zu fast 70% zerstört wurde und mit ihm geschätzt 50 Millionen Bücher, noch wusste ich, wie viele namhafte Verlage dort ansässig waren. (Und das als Buchhändlerin, Asche auf mein Haupt.)
In der Regel schaffen es nur die spannendsten Thriller, dass ich ein Buch in nur zwei Tagen lese. Diese 500 Seiten habe ich wirklich in Rekordzeit verschlungen. Muss ich noch extra dazuschreiben, dass ich es auch ans Herze lege? Nein? Okay, ich habs trotzdem getan.

Wer geschichtliche Hintergründe zum Graphischen Viertel sucht, wird unter anderem auf Wikipedia fündig oder auf der Homepage der Stadt Leipzig.