Aufbruch und Entscheidung

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Die Charité – Aufbruch und Entscheidung, zweiter Band der Roman-Serie von Ulrike Schweikert, 448 Seiten, erschienen bei Rowohlt Polaris.
Fortsetzung der Charité Reihe – Geschichten von Leben und Tod.
Berlin 1903, die renommierte königliche Charité in Berlin ist in die Jahre gekommen. Ärzte allen voran Virchow plädieren dafür, dass das bekannte Krankenhaus renoviert werden muss. Der Internist Prof. Dr. Friedrich Kraus wird Leiter der II. medizinischen Klinik. Mit ihm bricht eine neue Zeit an, er vergibt eine Volontärstelle an eine weibliche Bewerberin. Dr. Rahel Hirsch die an der Charité Medizingeschichte schrieb. Sie ist eine tüchtige Ärztin und Forscherin, doch von Gleichberechtigung der Frauen ist man selbst in der Hauptstadt des Kaiserreiches noch weit entfernt. Zusammen mit der Wäscherin Barbara setzt sie sich für die Frauenrechte ein. Doch dann beginnt der 1. Weltkrieg.
Das Werk von Ulrike Schweikert ist in drei Bücher aufgeteilt, bestehend aus Prolog, 30 Kapiteln und einem Epilog der das Schicksal der Protagonistin im weiteren Verlauf der Geschichte erklärt. Die einzelnen Kapitel sind durch Schnörkel in Leseabschnitte aufgeteilt. Dadurch lässt sich das Buch flüssig lesen. Über jedem Kapitel befindet sich eine Jahreszahl und eine zusammenfassende, zum Inhalt passende Überschrift. Briefe, Flugblätter und Tagebucheintragungen erscheinen kursiv, die Autorin erzählt in auktorialer und bildhafter Erzählweise, dadurch ist der Leser ganz nah an der Geschichte. Die lebhaften Dialoge im Dialekt haben mich jedoch im Lesefluss gestört.
Die Schilderung des medizinischen Fortschritts und der Forschungen waren für mich besonders interessant und haben mich gut unterhalten, durch meine Laborarbeit in einer Klinik für innere Medizin sind mir viele Begriffe und Untersuchungen vertraut gewesen. Oft musste ich an meine Mentorin denken, die mir serologische Untersuchungen z.B. nach Wassermann aus ihren frühen Arbeiten schilderte. Auch Paul Ehrlich und Emil Behring sind für mich keine Unbekannten. Der Aspekt der Frauenrechtsbewegung in der geschilderten Zeit sind für mich ein Höhepunkt im Buch, dankbar verfolgte ich den Kampf vieler mutiger Frauen im beginnenden 20. Jahrhundert, die den modernen Frauen den Weg bereitet haben und um die heute selbstverständlichen Werte kämpften, z.B. Gleichberechtigung, Frauenwahlrecht und Studium für Frauen. Die Schilderung der Kämpfe und Zustände im 1. Weltkrieg waren grausam und schonungslos. Dieser Teil, und was Frauen durch die Abwesenheit der Männer leisten mussten, war beachtlich und gut recherchiert. Sehr viele historische wie auch fiktive Personen waren gut charakterisiert und handelten nachvollziehbar, die Guten wie auch die Bösen. Rosa Luxemburg und Carl Liebknecht, Melli Beese, Virchow, Ehrlich und Behring, Kaiser Wilhelm II, Hindenburg, auch berühmte Fliegerasse und Strategen machen das Buch authentisch. Schweikert gibt allen Figuren ihre Geschichte, selbst den fiktiven, Michael ,Barbara, Franz und Marlene sind gut gelungen ihr Schicksal hat mich zutiefst berührt. Die Lektüre hat Spaß gemacht, die Botschaft ist tiefgründig und berührt die Seele, Gesellschaftsbeobachtungen und menschliche Innenansichten waren einwandfrei dargestellt. Ich persönlich jedoch hätte mir mehr Information über die Arbeit an der Charité, Medizinische Fälle und Forschungsarbeit wie im ersten Band gewünscht, dies finde ich, ist hier etwas zu kurz gekommen. Es waren im Buch auch durchaus spannende Elemente vorhanden, die aber im selben Kapitel jeweils abgehandelt wurden, ein Spannungsbogen hat sich deshalb leider nicht ergeben. Vorliegender Band ist sehr gut als Einzelband zu lesen. Voller Vorfreude erwarte ich den drittenTeil. Etwas schwächer als Charité I. Von mir 4 von 5 Sternen und eine Leseempfehlung.