Etwas langatmig

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readaholic Avatar

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Da mir der erste Teil der Charité Reihe sehr gut gefallen hat, habe ich mich sehr gefreut, als der zweite Band herauskam, aber leider ist er nicht so gut wie der erste. Schon im ersten Band fand ich die Sprache zum Teil hart an der Grenze zum Kitsch, hier wurde diese Grenze des öfteren überschritten.
Hauptperson des Romans ist Dr. Rahel Hirsch, eine Jüdin, die als erste Frau als Ärztin an der Charité in Berlin arbeitete. Von ihren männlichen Kollegen wurde sie größtenteils misstrauisch beobachtet, doch gab es auch Kollegen, die ihr Talent anerkannten und sie unterstützten. Im Buch lernt Rahel die Wäscherin Barbara kennen und die beiden ungleichen Frauen werden Freundinnen.
Es ist interessant, über die damaligen Verhältnisse in der Charité und die politische Situation in Deutschland zu lesen. Die Syphillis grassierte, auch Barbaras Tante erkrankt nach einer Vergewaltigung daran. Frauenrechte war damals ein Fremdwort. Frauen durften nicht wählen und verdienten viel weniger als Männer, was heute undenkbar ist (Vorsicht, Ironie).
Schweikert schreibt über die Schrecken des ersten Weltkriegs, sowohl aus der Sicht der Soldaten als auch aus Rahels Sicht, da die Soldaten in der Charité behandelt werden. Rahel entfernt Granatsplitter, amputiert Gliedmaßen und muss mit ansehen, wie viele ihren Verletzungen erliegen. Die schrecklich entstellten verwundeten Soldaten werden nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus in Sanatorien abgeschoben, um die Bevölkerung nicht mit ihrem Anblick zu erschrecken und um zu verhindern, dass dem Volk die Auswirkungen des Kriegs so drastisch vor Augen geführt werden.
Viele der genannten Personen existierten wirklich, und auch reale Ereignisse werden geschildert. Allerdings ist vieles zu ausführlich beschrieben, das mittlere Drittel des Buchs zieht sich wie Kaugummi und ich war mehr als einmal versucht, es zur Seite zu legen. Gegen Ende wird es dann wieder spannender, wenn auch teilweise ziemlich vorhersehbar. Alles in allem ein Buch, das einiges an zeitgeschichtlichem Wissen vermittelt und sicher gut recherchiert ist, dem aber 200 Seiten weniger gut getan hätten.