Auf der Suche nach Willow Frost

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regenprinz Avatar

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Als ich diesen Romananfang gelesen habe, lief schon die erste Szene wie ein Film vor meinem inneren Auge ab - eine unglaublich präzise und bildhafte Darstellung, die dem Autor hier gelungen ist. Die Lebensumstände des ungefähr 12-jährigen William im Seattle der 30-er Jahre sind so drastisch wie erschütternd, Armut und Arbeitslosigkeit prägen die Stadt, im Waisenhaus herrscht gnadenlose Willkür und die Erinnerung an seine Mutter, die er vor fünf Jahren leblos im Bad fand (offenbar nach dem Selbstversuch einer Abtreibung) lässt ihn nicht los. Nun glaubt er, sie bei einem Kinobesuch als Sängerin auf der Leinwand erkannt zu haben - wenn sie es ist, die sich jetzt Willow Frost nennt. Ich bin da noch im Zweifel, ob es nicht allein Williams Wunschdenken ist, dass er glaubt, sie erkannt zu haben. Denn warum hätte sie ihn dann nicht suchen und wieder zu sich holen sollen? Aber da er über ihren Verbleib oder möglichen Tod nichts weiter weiß, hofft er natürlich, dass sie es ist ...
Sehr gut gefallen hat mir auch die Darstellung der Kinderfreundschaft mit der erblindeten Charlotte, der William Pfefferminz mitgebracht hat. Auch sie hat eine anrührende, tragische Geschichte zu erzählen und vor allem ist sie bereit, William zu glauben.
Ich habe das Gefühl, dass dieses Buch inhaltlich nicht immer leicht zu lesen sein wird, weil Zeit und Ort der Handlung Düsteres versprechen und das Schicksal mitunter grausam ist. Andererseits zeigt sich schon in der Leseprobe auch der Sinn für das Schöne, Leichte und Hoffnungsvolle. So ein bisschen erinnert mich das an die Bücher von John Boyne, den ich sehr schätze. Und da ich "Keiko" ebenfalls noch nicht kenne, möchte ich Jamie Ford jetzt unbedingt einmal lesen.