Die chinesische Sängerin

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Jamie Ford widmet sehr berührend das Buch seiner Mutter, mit der er immer sonntagabends telefoniert hatte. Er selbst ist Enkel von chinesischen Einwanderern aus der Chinatown in Seattle und schreibt mit seinem Roman seiner Heimatstadt und seiner Herkunftsethnie eine großartige Würdigung. Den Roman siedelt er in der Zeit der Großen Depression an, als tausende Kinder von ihren völlig verarmten Eltern in die Obhut von Einrichtungen wie dem Sacred-Heart-Waisenhaus gegeben wurden, um ihnen das Überleben zu ermöglichen. William Eng, vaterloser Sohn einer chinesischen Schauspielerin und Sängerin, gerät in die Obhut der Nonnen, als seine Mutter wegen eines Eingriffs gegen sich selbst, in der Psychiatrie landet. William weiß nicht, ob seine Mutter noch lebt und verbringt fünf relativ freudlose Jahre in dem Waisenhaus. Erst durch den Besuch im Kino, dem kollektiven Geschenk an die Kinder, für die einmal im Jahr von den Nonnen ein gemeinsamer Geburtstag ausgerichtet wird, stößt er wieder auf die Spur seiner Mutter. Er glaubt in der Schauspielerin Willow Forst seine Mutter wiederzuerkennen, von der er im Alter von sieben Jahren getrennt wurde. Gemeinsam mit Charlotte, einem blinden Mädchen aus dem Waisenhaus, setzt er sich auf ihre Spur und Mutter und Sohn finden letztlich wieder zueinander. Dies setzt aber bei Willow voraus, dass sie sich von ihrem Leben als Schauspielerin und Sängerin verabschiedet und für ihren Sohn sesshaft wird. Dieser relativ dürre Handlungsstrang wird aber nie langweilig, da Jamie Ford ein Sittengemälde der zwanziger Jahre in Nordamerika aufzeichnet, tief mit dem Leser in die Lebens- und Denkweise der chinesischen Einwanderer eintaucht und scheinbar mühelos en passant die Geschichte der jungen Filmindustrie in Nordamerika erzählt. Jamie Ford leistet vielleicht mit diesem Roman ein eigenes familientherapeutisches Unterfangen, dem der Leser aber jederzeit breitwillig und fasziniert folgt.