Auch ohne Vorkenntnisse aus Teil 1 ein absolut spannendes Leseerlebnis

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antjemue Avatar

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Das E-Book entdeckte ich vor wenigen Tagen bei NetGalley. Obwohl es bereits der zweite Teil einer Reihe ist, von der ich Teil 1 noch nicht gelesen habe, reizte mich der Klappentext. Und da ich schon häufiger etwas später in Reihen einstieg und dabei nur ganz selten Verständnisprobleme hatte, fragte ein Rezensionsexemplar an und freute mich, es kurze Zeit später auf meinen Kindle laden zu können. Da ich in ein anderes Buch gerade nicht hineinfand, begann ich sofort zu lesen.

Im Wald wird eine bizarr zur Schau gestellte Tote gefunden. Sie war an einem Baum festgebunden und trug ein Hirschgeweih. Schnell stellt sich heraus, dass die Frau – Charlotte Tempel - eine beliebte Berühmtheit und Wohltäterin war. Charlotte lebte zusammen mit ihrer 22-jährigen Tochter Leo, die als Klimaaktivistin ganz anders sein will, als ihre Mutter und mit dieser auch überhaupt kein gutes Verhältnis hatte. Außerdem war Charlotte für einen ihr sehr wichtigen Medienpreis – den Hirsch – nominiert.

Da die rebellische Leo kein Alibi hat und einige Indizien zu ihr führen, sehen die meisten hochrangigen Polizeibeamten sie schnell als Hauptverdächtige. Lediglich Art Mayer, der zusammen mit seiner hochschwangeren Kollegin Nele Tschaikowski in die Ermittlungen involviert ist, zweifelt aufgrund seines Bauchgefühls an ihrer Schuld. Das Auffinden einer zweiten Toten mit Hirschgeweih, die ebenfalls für den Hirsch nominiert war, scheint ihm erst einmal Recht zu geben. Denn eine Verbindung zu Leo scheint es nicht zu geben.

Das ändert sich jedoch, als eine Tonbandkassette mit überaus brisantem Inhalt in Arts Finger gerät. Ist Leo tatsächlich Berlins jüngste Serienmörderin und wird er sie finden, bevor es ein weiteres Opfer gibt?

Diesen Thriller habe ich innerhalb einer kurzen Zeit regelrecht verschlungen. Den Schreibstil empfand ich als sehr flüssig, die Sprache einfach, aber bildhaft. Der Autor erzählt die Geschichte der Gegenwart in der dritten Person mit wechselnden Perspektiven. Lediglich für die Tonbandaufzeichnungen aus der Vergangenheit wird die erste Person verwendet. Längen empfand ich beim Lesen nie, dafür aber eine permanente Grundspannung, die dafür sorgte, dass ich Lesepausen nur sehr widerwillig machte. Verständnisprobleme, aufgrund der mir fehlenden Informationen aus dem Vorgängerbuch hatte ich überhaupt nicht. Es gab zwar immer mal Bezüge zu früheren Geschehnissen, diese machten mich jedoch eher neugierig auf Teil 1, als dass sie mich verwirrten.

Die Charaktere lernte ich als Neueinsteigerin situationsbezogen kennen. Die Hauptfigur Art Mayer wurde mir sehr schnell sympathisch, auch wenn ich ihm die ersten Male eigentlich unter durchaus fragwürdigen Umständen im Privatleben begegnete. Seine Affäre verurteile ich jedoch nicht und wie er sich für die kleine Nachbarin einsetzt, die durch ihre derzeitigen Lebensumstände viel zu frühreif ist, gefällt mir sogar. Sicher wäre es viel einfacher, das Jugendamt über die Situation zu informieren. Ob dies für das Mädchen dann allerdings besser wäre, ist durchaus fraglich.

Auch Nele Tschaikowski ist mir während des Lesens sehr ans Herz gewachsen. Als früher berufstätige Mutter konnte ich einen ihrer Zwiespälte persönlich sehr gut nachvollziehen. Für mich wäre damals ein längeres nur Hausfrauen- und Mutterdasein nicht in Frage gekommen. Meinen inzwischen erwachsenen Söhnen hat das definitiv nicht geschadet. Beide haben inzwischen mir sehr gut gefallende eigene Wege eingeschlagen und aus sehr vielen Gesprächen mit ihnen weiß ich, dass sie sich nie in irgendeiner Form von mir vernachlässigt gefühlt haben.

Den Fall an sich, die Ermittlungsarbeit und auch die Verwicklungen, die sich daraus ergaben, empfand ich als sehr überzeugend dargestellt. Mir gefiel auch sehr gut, wie sich aus dem Gegenwartsstrang und den Tonbandaufnahmen aus der Vergangenheit nach und nach ein Gesamtbild zeichnete und dieses letztendlich bei mir trotzdem noch für Überraschungen sorgte. Der Showdown war nervenaufreibend und die Auflösung hatte ich so ebenfalls nicht vorhergesehen. Insgesamt hat mir dieser Thriller richtig gut gefallen. Ich werde wohl in nicht allzu ferner Zukunft das Vorgängerbuch „Der Morgen“ lesen und auch der für Frühjahr 2025 angekündigte 3. Teil der Reihe steht bereits auf meiner Wunschliste.