Absolutes Gehör

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Absolutes Gehör und eine große Portion Ehrgeiz –
Do not be deflectet by your course (Grabinschrift)

Willy lebt mit ihren Eltern in New York. Die 23jährige Holländerin steht kurz vor der Einbürgerung und bestreitet zwei Jobs: tagsüber als Sekretärin, abends als Platzanweiserin. Fast das gesamte Geld übergibt sie brav an ihre strenge Mutter, nur einen geringen Betrag spart sie heimlich. Mit vielen kleinen Diensten im Haushalt und artigem Benehmen darf sie sich ihre heißgeliebten Stunden am Klavier „erkaufen“, das ihr Vater als Müllmann auf der Straße gefunden hat. Allerdings stellt sie sich ihr Leben ganz anders vor: sie möchte Dirigentin werden, hört sich Konzerte von draußen an - im Saal sind Bedienstete nicht erlaubt – und liest so viel wie möglich über berühmte Komponisten, Dirigenten, Musiker im Allgemeinen – und immer sind es Männer, die im Rampenlicht stehen. Als Frau wird sie im Jahre 1926 einfach nicht ernst genommen.

Maria Peters schildert diese bewegende Romanbiografie im Präsens. Viele Kapitel erzählen Willys Geschichte, die eigentlich Antonia Brico heißt, aus der Sicht der ehrgeizigen jungen Dame in der Ich-Form. Dazwischen kommen andere wichtige Personen zu Wort - auch hier wählt die Autorin interessanterweise die Ich-Perspektive. Dadurch entsteht eine ganz besondere Lebendigkeit, eine unmittelbare Begegnung zwischen den einzelnen Figuren untereinander, aber auch eine große Nähe zum Leser, der sich so ganz in Antonias Leben hineinversetzen kann, hautnah ihre Gefühle nachempfinden kann und spürt, wie viel Kraft, wie viel Anstrengung sie unternimmt, um ihren Traum wahr werden zu lassen. Etliche Prügel werden dieser konsequent und hart arbeitenden Musikerin vor die Füße geworfen, eine Frau solle besser Kinder bekommen als die Hochschule anzustreben und Männer im Orchester würden sich bestimmt niemals von einer Frau etwas vorschreiben lassen.

So zeichnet Peters den steinigen Weg von Antonia Brico nach, begleitet sie auf beschwerlichen und entbehrungsreichen Wegen von Amerika zu ihren europäischen Wurzeln und wieder zurück, beschreibt in einer angenehm melodischen Sprache, wie Musik verzaubern kann, welche Kraft die junge Künstlerin aus den Stücken von Beethoven, Liszt und vielen anderen Komponisten schöpft, wie sie aufblüht beim Erklingen der ersten Orchestertöne, sie jedes einzelne Instrument heraushört und mitfiebert, wenn die Klänge die Konzerthalle durchfluten.

Mit diesem Buch wird eine große Künstlerin gewürdigt, wobei auch im Nachwort noch interessante Details erläutert werden (zum Beispiel die spätere enge Freundschaft zu Albert Schweitzer) und ein ausführliches Quellenverzeichnis die Romanbiografie ergänzt.

Fazit: Die Dirigentin ist ein spannendes und zugleich unterhaltsames Buch über die ehrgeizige Antonia Brico, die sich ihren Platz in einer strikt verteidigten Männerdomäne sucht. Der Kinostart für die Buchverfilmung ist für September 2020 angekündigt.