Ein Leben für die Musik

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Antonia Brico ist eine faszinierende Frauengestalt des 20. Jahrhunderts. In einer Zeit als es undenkbar schien, kämpft sie darum, Dirigentin zu werden. Und muss dabei sehr viele Widerstände überwinden und viel dafür opfern.
Sie stammt aus einer lieblosen holländischen Familie, die in die USA gezogen ist, durch Zufall kommt sie zum Klavierspielen und ab da ist klar, die Musik ist ihr Leben. Mit ihrem Wunsch, Dirigentin zu werden, wird sie ausgelacht, von der Familie verstoßen, von Lehrern schlecht behandelt. Doch sie setzt sich durch und ihr gelingt, was vor ihr noch keiner Frau gelungen ist. Sie dirigiert große, bekannte Orchester, gründet ein eigenes Orchester, ein reines Frauenorchester. Doch eines bleibt ihr bis zu ihrem Lebensende versagt, die Leitung eines großen, renommierten Orchesters.
Geschichten wie diese, über mutige, fortschrittliche Frauen, sollten viel mehr erzählt werden, sie sollten die Rolemodels unserer Zeit sein. Wenn es damals möglich war, gegen alle Widerstände und gegen die Meinung, dass eine Frau so etwas nicht kann, Dirigentin zu werden (Ärztin, Physikerin, Mathematikerin,…), dann sollten Frauen heute noch viel mehr ihre Möglichkeiten ausschöpfen und die noch immer bestehenden Grenzen überwinden.
Der Dirigentenberuf ist auch heute noch sehr männlich dominiert, es gibt zwar immer mehr Frauen, aber sie sind in der Minderzahl. Zwei kleine Absätze im Nachwort machen mich nachdenklich:
„Die renommierte Zeitschrift Gramophone veröffentlichte 2008 eine Rangliste der zwanzig besten Orchester der Welt. Keines dieser Orchester hatte je eine Chefdirigentin.
2017 veröffentlichte Gramophone wieder eine Liste, diesmal mit den fünfzig besten Dirigenten aller Zeiten. Darunter keine Frau.“ S. 324
Ich habe den Roman mit Begeisterung, Bewunderung und großer Spannung gelesen. Eine tolle Geschichte, spannend erzählt, Timing und Rhythmus unglaublich gut gemacht, ich konnte nicht mehr aufhören zu lesen. Die Autorin hat zuvor schon einen Film über Antonia Brico gemacht, sie ist persönlich bekannt mit deren Cousin und die Bibliografie im Anhang zeigt, was man auch schon beim Lesen merkt, wie gut recherchiert sowohl Bricos Geschichte, als auch das Setting und die Zeit der 20er und 30er Jahre sind.
Allerdings war es mir sprachlich zwischendurch etwas zu trivial. Besonders, wenn die Liebesgeschichte, die aber insgesamt zum Glück nicht zu viel Raum einnimmt, ins Spiel kommt, wird es sehr klischeehaft und sprachlich sehr schlicht.
Dennoch ein sehr empfehlenswerter Roman für alle, die sich für starke Frauen und Vorbilder aus der Geschichte interessieren. Es gibt noch viel zu tun für uns Frauen und Figuren wie Antonia Brico zeigen, dass immer mehr möglich ist, als wir denken.