Hommage an eine eigenartige Freundschaft

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buecherfan.wit Avatar

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Benjamin Constables Roman “Die drei Leben der Tomomi Ishikawa” hat eine Art Einleitung, in der Ben Constable mit seiner Freundin Tomomi Ishikawa über seinen Plan spricht, einen Roman zu schreiben, in dem sie beide die Hauptfiguren sind. Es soll eine Geschichte über zwei Leute werden, “die sich hin und wieder zum Plaudern treffen.” (S. 7). Tomomi erscheint das zu langweilig und unspektakulär. Schließlich sprechen sie über eine Mordserie als Thema. Tomomi wäre dann die Mörderin und Ben ihr letztes Opfer. Im Grunde will Ben aber doch lieber über ihren ganz normalen Alltag und ihre ungewöhnliche Freundschaft schreiben: “Unsere Realität ist genauso packend wie jeder Roman.” (S. 9). Dann kommt alles ganz anders.

Die eigentliche Romanhandlung beginnt mit Tomomis Abschiedsbrief an Ben. Sie vermacht ihm ihren Computer und verspricht ihm ein großes Abenteuer. Wie sich herausstellt, liebt auch Tomomi das Schreiben und hat ihm an den ungewöhnlichsten Orten Nachrichten und Notizbücher hinterlassen, die ihn von Paris nach New York und weit zurück in ihre Kindheit führen. Er lernt seine Freundin ganz neu kennen und ist zunehmend schockiert von ihren Bekenntnissen. Anscheinend war sie schwer gestört, wenn nicht sogar wahnsinnig und hat offensichtlich eine Reihe von Morden begangen. In New York lernt er Beatrice, eine junge Studentin kennen, die mehr zu wissen scheint, als sie zunächst preisgibt. Sie kennt Tomomi und weckt bei Ben Zweifel an ihrem Tod. Ben kehrt nach Paris zurück und versucht weiter, das Geheimnis um seine Freundin zu lüften. Dabei gerät er in große Gefahr.

Constables Roman ist in verschiedener Hinsicht ungewöhnlich. Ich-Erzähler Ben Constable und seine Freundin Tomomi Ishikawa verwirren den Leser mit einem raffinierten Spiel um Realität und Fiktion. Dabei ist offenkundig, dass der Ben Constable des Romans nicht mit dem Autor gleichzusetzen ist. Beide Protagonisten sind fiktiv. Durch ihren ausgeklügelten Plan liefert Tomomi der Romanfigur Ben Constable Anregungen und interessantes Material für sein Buch, das er auch tatsächlich später schreiben wird. In seinem Brief an Tomomi Ishikawa unmittelbar vor der Fertigstellung des Manuskripts zerstört er selbst auf den letzten Seiten die Romanillusion und beantwortet damit möglicherweise offene Fragen des Lesers (S. 382-383). 

Ich habe den Roman sehr schnell gelesen. Ich finde ihn spannend und gut geschrieben. Vor allem gefällt mir, wie der Autor den Akt des Schreibens und das Wesen von Fiktion thematisiert.  Wie funktioniert der kreative Prozess? Wie verhalten sich Fiktion und Wirklichkeit zueinander? Dabei ist die Erfindung der imaginären Katze Cat, die Ben in seiner Trauer zur Seite steht, nicht die geringste Leistung des Autors. Ein schöner, sehr empfehlenswerter Roman.