Enttäuschend

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gudrun_4 Avatar

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Der Prolog, der mich in der Leseprobe so neugierig auf das Buch gemacht hatte, löste zusammen mit dem ersten spannenden Kapitel bei mir leider viel zu hohe Erwartungen aus.

Der Ich-Erzähler des Romans, ein Schriftsteller, erinnert sich an den Brief eines Franzosen, in dem vor Jahren sein Erstlingswerk verrissen und ihm etwas von oben herab Hilfe bei der Überarbeitung angeboten wird. Da er gerade in einer persönlichen und beruflichen Krise steckt, nimmt er diesen Brief zum Anlass, sich mit dem historischen Stoff, der sich um das mysteriöse Gemälde mit den zwei Frauen rankt, erneut auseinanderzusetzen.

Der Roman ist in 3 Teile gegliedert. Das wurde durch die zeitlichen Brüche plausibel, die zwischen den 3 Begegnungen mit der weiblichen Hauptperson Camille Balzac lagen.
Der Erzähler kann sich ihrem geheimnisvollen Sog nicht entziehen, obwohl er spürt, dass sie nicht mit offenen Karten spielt, ihn vielleicht gar nur benutzt. Seine inneren Monologe, seine Unschlüssigkeit, erzeugen stets mehr Fragen als er Antworten finden kann. Mich überzeugt er nicht, weder in seinem Bestreben, Licht in die historischen Ereignisse zu bringen, noch in seinem unsicheren und wankelmütigen Verhalten gegenüber Camille.
Die unnahbare Camille erzeugt in ihrer abweisenden Art wenig Mitgefühl, alles, was sie Stück für Stück von sich preis gibt, ergibt kein stimmiges Bild, die Handlung wirkt sehr konstruiert. Ihre Leidenschaft für Henriette, die zweite Frau auf dem Bild, ihre Vorfahrin, bleibt unverständlich, die historischen Quellen, auf die sich ihre Haltung stützt, bleiben für den Erzähler unzugänglich.

Trotz einiger verblüffender, dramatischer Wendungen wurde es selten richtig spannend, statt dessen waren die historischen Exkurse für den normalen Menschen nur schwer nachvollziehbar, wer hat schon so detaillierte Geschichtskenntnisse? Und die Beziehungsprobleme, die philosophischen Erörterungen wurden durch die für meinen Geschmack pseudo-tiefsinnigen Gespräche und Gedanken nicht interessanter. Schade.
Ich weiß nicht, welches Zielpublikum der Autor vor Augen hatte. Ein historischer Roman ist es nicht, ein Thriller auch nicht, ja auch für eine Liebesgeschichte taugt es nicht. Ich selbst kenne "Die Purpurlinie” nicht. Sollte es doch nur eine Abrechnung des Autors mit seinem eigenen Erstlingswerk von 1996 sein, eine Rechtfertigung für die nicht gefundene Geschichte hinter der Entstehung des Gemäldes?
Mich hat dieses Buch enttäuscht zurückgelassen.