Das Dorf straft

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Die Handlung spielt in Krimmwing, einem fiktiven Dorf in Österreich.
Der schmale Roman, 127 Seiten in großer Schrift gedruckt, gliedert sich in zwei Teile: was man gehört hat und was die Leute sagen.
Von den vielen Menschen, die in einem solchen Dorf eine Rolle spielen, lernen wir drei etwas besser kennen, drei weitere haben für den Fortgang der Geschichte ebenfalls eine Bedeutung.
Seppi hat einen Vater aus Nigeria und dessen Aussehen und Hautfarbe geerbt. Er wird die Hauptzielscheibe der dumpfen Dorfjugend und gequält und drangsaliert. Vorsichtshalber schauen alle weg, die helfen könnten, so dass er sogar außerhalb des Dorfes, auf einem Jugendlager, durch die Erzieherinnen keine Unterstützung erhält. Seine schwache Mutter kommt mit sich selbst nicht zurecht und überlässt ihn im Grunde seinem Schicksal. Der 'diverse' Lebensgefährte der Mutter (am Ende ist mir die sexuelle Orientierung immer noch unklar; auf jeden Fall ist er dann eine 'Sie') hält ein bisschen die Hand über den Jungen und sorgt am Ende dafür, dass dieser zu seinem Vater kommt.

Die Stärke des Buches liegt in einer ungeschönten, klaren Sprache, die mit wenigen Worten bildhaft tragische Inhalte transportieren kann: eine stumme Mutter mit lila-gelblichen Flecken unter dem Hauskleid. ...wenn der Vater ruft, mit der Vaterstimme, dann gibt es keinen Spielraum. Nur mehr: das Ertragen....
Eine der Schwächen des Buches liegt darin, dass eine der Hauptpersonen unerwartet einen anderen Namen hat, ohne daß dies sofort erkennbar wäre. Hier wäre ein Personenverzeichnis hilfreich gewesen. Denn auch weitere Personen haben plötzlich andere oder 'neue' Spitznamen. Ich habe das Buch ein zweites Mal gelesen und mir eine Liste gemacht, damit ich das verstehe. Steinlacher Sepp; Steinlacher Seppi, Sepp, Seppi, Josef, Peter, Dohringer Peter, Dohringer ...alles die gleiche Person....sehr verwirrend.
Warum nun diese drei am meisten betroffen Personen so handeln, wie sie es tun, wurde mir nicht klar; genauso warum die Dörfler auf ihnen rumhacken bleibt weitgehend im Dunkeln: Eifersucht wird bei Liesl als mögliches Motiv ins Spiel gebracht.
Das führt dazu, dass mir der Rathbauer zunächst sehr sympathisch erschien, ich im weiteren Verlauf seine Persönlichkeit nicht mehr greifen konnte. Sind die anderen Bewohner des Dorfes einfach dumm oder haben sie Gründe für ihr Handeln?
Diesem Buch hätten ein paar Seiten mehr gut getan, um das wichtige Thema: Ausgrenzung des 'Anderen' genauer zu beleuchten. Das Buch hat einen Einband (Apfel auf Tisch), den ich nicht verstehe und eher mit Tell verbinde. Der Titel dritte Hälfte eines Lebens erinnert an die Subline eines deutschen Frauenmagazins.
Ich hatte mich sehr auf das Buch gefreut, bleibe etwas ratlos zurück und gebe drei Sterne für das Thema und die gute Lesbarkeit bei aller Kritik.