Die große Welt im Kleinen

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poutschie Avatar

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Das fiktive Dorf Krimmwing in Österreich steht sinnbildlich für viele Dörfer. Es spiegelt darüber hinaus wieder, was im kleinen Dorf genauso gilt wie in der großen Welt. Die Dorfgemeinschaft sieht alles; hört alles; beurteilt alles - zumindest bildet sie es sich ein. Und dort, wo man etwas doch nicht so genau weiß, da wird hinzugedichtet, gerätselt und Theorien gesponnen. Nur die eigentlich Betroffenen werden natürlich nicht gefragt.
Man ist meisterlich im Weghören und Wegsehen und teilt nur zu gerne gegen die aus, die vermeintlich „anders“ sind. Hauptsache man gerät nicht selber ins Visier.

Wer anders ist, der hat es schwer in Krimmwing: Der Rathbauer, der lieber eine Frau sein möchte; Rosa, jung schwanger geworden und nun allein erziehend; Sepp, dessen Hautfarbe der Dorfgemeinschaft zu dunkel ist oder Liesl, die an den falschen Stellen am Körper zuviel hat und alleine dadurch schon aneckt.
Drohungen, Misshandlungen, Ausgrenzung und verbale Attacken sind an der Tagesordnung, doch so stoisch wie die Dorfgemeinschaft an Vorurteilen festhält und ihre Taten damit legitimiert, so stoisch bleiben auch die Drangsalierten im Dorf wohnen. Denn ein Wegzug; ein Fortgehen; ein „den Horizont erweitern“ erfordert Mut und diesen bringen die meisten nicht auf.

Als einer der Bewohner wieder ins Dorf zurückkehrt, wird das Dorf von Unruhe erfasst. Dieser Eine war doch einer, den man schon abgeschrieben hatte. Einer, der den Absprung geschafft hatte. Und nun kehrt dieser zurück und erinnert alle an eine Tat in der Vergangenheit, von der im Nachhinein alle sagen „…hätte man nur gewusst ob der Probleme, dann hätte man alles drangesetzt zu helfen“. Hätte, hätte…

Mit seinen 127 Seiten gehört das Buch eher zur dünneren Sorte.
Jedoch konnte ich es nicht in einem Rutsch durchlesen. Die Sprache Anna Herzigs ist klar, aber verdichtet. Kein Satz ist zu lang, keiner zu kurz, die Dialoge sind knapp und verdichtet. In vielen Sätzen schlummert oft eine Doppeldeutigkeit, ein Subtext, der die Abläufe der Geschichte verständlicher macht und manchmal ein fast schon philosophischer Exkurs ist. Dadurch ist dies kein Buch zum „einfach Weglesen“.

Herzig zeichnet mit Krimmwing eine Welt im Kleinen, die eigentlich im Großen für uns alle steht, denn was dort passiert ist leider nur allzu menschlich. Mich hat das Buch tief berührt, innehalten und nachdenken lassen. Bitte mehr davon!!!