Dorfleben - sehr überzogen dargestellt

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
biancaneve_66 Avatar

Von

Die Dorfgemeinschaft von Krimmwing funktioniert wie auch an anderen Orten üblich. Sie sieht genau hin und verurteilt. Vor allem Außenseiter haben es nicht leicht. Wie der Rathbauer, der sich nur hinter verschlossenen Türen schminken kann; der Steinlachner, dessen Hautfarbe zu dunkel ist oder die Liesl, deren Körper nicht der Norm entspricht. Die Dorfgemeinschaft sieht aber auch weg, wenn sich zum Beispiel jemand auf dem Kirschkernhügel erhängen will. Und sie vergisst nicht, auch jene nicht, die erst nach Jahren wieder in ihren Heimatort zurückkehren.
Das Cover macht neugierig und passt perfekt zum Inhalt des Buchs: ein nicht ganz einwandfreier Apfel auf einem Tisch mit gedrechselten Beinen – der „Außenseiter“ liegt somit auf der Präsentierfläche. Und auch der Titel hat es in sich. Verkörpert die dritte Hälfte eines Lebens das Jenseits oder einfach das Ausbrechen aus der Norm? Das Buch ist in zwei Abschnitte unterteilt, die Überschriften der einzelnen Kapitel – so man diese kurzen Passagen überhaupt so nennen kann – greifen jeweils die Anfänge der ersten Absätze auf und enden oft abrupt mitten im Satz. Das irritiert nach einiger Zeit irritiert und stört den Lesefluss; ich habe diese Überschriften dann meist weggelassen, was die Geschichte noch mehr verkürzt, als sie schon ist. Der eher geringe Umfang wirft für mich ohnehin die Frage auf, ob die Geschichte als Roman bezeichnet werden kann. Die erste Hälfte des Buchs ist leicht lesbar, die Sprache recht nüchtern, an manchen Stellen aber auch bildhaft. Der zweite Teil hingegen macht das Lesen eher schwierig; zu sprunghaft und fragmentarisch ist die Sprache, zu häufig sind die Zeitsprünge, zu verwirrend ist die Zuordnung zum ersten Teil.
Das Thema der Ausgrenzung ist leider immer aktuell und eine literarische Aufarbeitung daher ein guter Ansatz. Hier scheinen mir allerdings die Auswahl der ausgegrenzten Typen und die Darstellung des Dorfes im Allgemeinen mehr als überspitzt. Die strikte Schwarz-Weiß-Zeichnung der Dorfgemeinschaft lässt keinen Freiraum – auch nicht für die Entwicklung der einzelnen Charaktere. Zusätzlich bleiben die handelnden Personen auch durch die recht schmucklose Sprache farblos.
Die Idee zum Buch und die Verwendung von Themen wie gesellschaftliche Normen, Gerüchte und Anders-Sein verdienen sicher Aufmerksamkeit. Die Umsetzung konnte mich aber leider nicht ganz überzeugen.