Klein aber oho!

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Anna Herzig ist es gelungen, auf 127 Seiten unendlich viel auszudrücken und die Leser*innen mit auf eine Reise in eine Dorfgemeinschaft zu nehmen, die keine Gnade kennt gegenüber denen, die irgendwie anders sind.
Und das sind in Krimmwing viele: der Seppi, unehelich geborenes Kind von einem dunkelhäutigen und abwesendem Vater und einer Mutter, die tief in Depressionen versunken ist; Der Rathbauer, der so gerne eine Frau wäre; die Liesl, die auffällig anders gebaut ist und mit ihrem Selbstbewusstsein die Frauen gegen sich aufbringt. Hier werden körperliche und psychische Auffälligkeiten beobachtet, bewertet und immer verurteilt. Vorurteile werden geschürt und wenn einer nicht mehr kann, dann wird weggeschaut .
Ein großartiges Romandebüt von Anna Herzig über menschliche Abgründe und Intoleranz in einer Dorfgemeinschaft, aber auch über das Anders-sein außerhalb der traditionellen gesellschaftlichen Normen.
Jeder Satz sitzt, beschreibt eindringlich, beobachtet die verschiedenen Personen. Selbst die wörtliche Rede, die hier als Strichaufzählung erscheint, ist auf das notwendige reduziert und trotzdem sehr intensiv. Ungewöhnlich die Überschriften der Kapitel, die aus dem Anfang der jeweils ersten Sätze bestehen.
Ein Buch, das mich extrem überrascht hat. Nach der Enttäuschung über die Kürze kommt das Aha-Erlebnis der Intensität und Vielschichtigkeit, die Faszination über die Umsetzung des Themas und den Schreibstil. Man möchte es gleich noch einmal lesen dieses Bändchen, um auch ja nichts von einem Satz verpasst zu haben.
Eine unbedingte Leseempfehlung für alle, die außergewöhnliche Bücher zu schätzen wissen.