Kleines Dorf, dünnes Buch, alles gesagt

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emmmbeee Avatar

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In diesem Roman findet sich vermutlich jeder ehrliche Leser, denn jeder von uns schaut im Lauf seines Lebens weg, wenn es zu handeln gilt. Die beschriebenen Charaktere finden sich auch in jeder Gemeinde, die Ausgrenzung, das Triezen, das Ausnutzen auch.
Im Buch spielen sich furchtbare Szenen ab, die besonders weh tun, wenn man dran denkt, dass in unmittelbarer Nachbarschaft Ähnliches stattfinden kann. Andersartigkeit wird von jeher verurteilt und bestraft, und die Andersartigen hatten es immer schon schwerer als die, welche mit dem Strom schwimmen und ihre weiße Weste ins Fenster hängen. Man senkt die Augen und hält die Hände still. Hinterher sagt man: Ich hätte ja geholfen, wenn ich etwas gewusst hätte.
Anna Herzig hat geschrieben, was zu schreiben ist, kein Wort mehr, keines weniger. Mit kräftigem Stift skizzierte sie urwüchsige, teils knorrige Charaktere, leuchtet gnadenlos in jeden Winkel. Auf wenigen Seiten ist alles gesagt.
Selten las ich einen Roman in schnörkelloserem Stil. Die Handlung fließt rasch dahin, Spannung besteht von Anfang an. Gerade die andersartigen Personen besitzen meine Sympathie, auch jene, welche an ihr scheitern.
Ein Buch, das aufrüttelt und dem Leser die Augen für seine eigene Intoleranz öffnen kann. Denn fehlerlos ist keiner von uns. Ich hoffe, dass wir von Anna Herzig noch viel lesen dürfen.