Was die Leute so reden,...

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petris Avatar

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„Was man gehört hat“ und „Was die Leute erzählen“, so lauten die beiden Kapitelüberschriften. Und genau darum geht es auch. Krimmwing ist ein fiktives Dorf, eines, wie es wahrscheinlich viele gibt. Es ist klein, die Leute sehen und wissen alles und den Rest reimen sie sich zusammen oder erfinden es. Jede:r der:die anders ist, hat es hier schwer. Wer es nicht schafft, rechtzeitig wegzugehen, passt sich an, verfällt dem Alkohol oder geht zu Grunde.
Im Mittelpunkt stehen der Seppi, der einen schwarzen Vater hat, den Jackson, der die Mutter aber verlassen hat (so erzählt man sich), er ist also doppelt gebrandmarkt, farbig und die Mutter Rosa alleinerziehend. Dass seine Mutter damit nie zurecht kommt, der Bub mit wenig Liebe und dafür um so mehr unterschwelliger Gewalt erzogen wird, macht es nicht leichter. Und da gibt es dann noch den Rathbauer, der früh die Frau in sich entdeckt, am liebsten als Renza Rahtbauer, im Kleid und geschminkt nach Italien abhauen möchte, das aber nicht tut. Und die Liesl, deren Körper anders ist, wofür sie verachtet, aber auch verehrt wird. Allerlei Geschichten ranken sich um sie.
Was davon wahr ist, was man halt gehört hat und was sich die Leute einfach nur so erzählen, das ist selten eindeutig. Fragmentartig erzählt die Autorin, erst aus der Kindheit und Jugend der Protagonist:innen, dann im Erwachsenenalter. Ihre Sprache ist eindringlich und fesselnd. Man merkt, dass sie mit ihren Figuren mitfühlt. Manchmal führt sie uns in die Irre, manches ist nicht ganz klar. Aber es ist faszinierend. Und auch wenn einiges offensichtlich überzeichnet ist, der Kern ist nur zu wahr. Das Wegschauen. Die Furcht vorm Anderssein. Die engen Grenzen. Und dass es oft besser ist wegzugehen, wenn man anders ist.
Ein ungewöhnliches, sehr besonderes Buch, das aber ruhig ein paar Seiten mehr vertragen hätte und manchmal etwas zu verwirrend ist. Dennoch sehr lesenswert!