Blut und Seelen vergiftet

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adelheid von buch Avatar

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"Die dritte Hälfte eines Lebens" von Anna Herzig ist ein ganz wunderbares Buch. Es erzählt die Geschichte des fiktiven österreichischen Dorfes Krimmwing, in dem man es schwer hat, wenn man sich seinen Mechanismen und der damit verbundenen Monotonie nicht unterordnet. Die Gemeinschaft ist überfordert mit Dingen, die nicht in ihren engen Rahmen passen. Mit dem Rathbauer, der gern eine Frau wäre, können sie nichts anfangen. Der dunkelhäutige Steinlachner Seppi samt seiner ledigen Mutter macht ihnen wohl sehr viel Angst. Auch die übergewichtige Liesl mit den drei Brüsten ist für sie kaum zu ertragen. Mit sehr originellem Sprachstil wird erzählt, wie die vier von der Dorfgemeinschaft gedemütigt und ausgegrenzt werden. Auch Sympathisanten werden nicht geduldet. Und doch überleben sie alle irgendwie und sind verstrickt miteinander und auch mit den Dorfbewohnern. So hängen die Geächteten doch fest am Dorf bzw. werden vom Dorf festgehalten. Sie könne sich nicht befreien, um vielleicht andernorts ein glücklicheres Leben zu suchen. Die Dorfbewohner treiben ihr Verhalten auf die Spitze. Sie sind völlig ohne Empathie für die Geschmähten. Der Seppi, dem "der kleine Schmerz" sowieso schon sein Leben lang von der Mutter eingeimpft wurde, überlebt das nicht. Vieles wird nur angedeutet. Man muss sehr genau hinhören und sich auch seinen Teil dazu denken. Die beiden Kapitel des Buche haben die Überschriften "Was man gehört hat" und "Was die Leute sagen". Die Verwirrung, die hier und da entsteht ist das Ergebnis. Man muss aufpassen, dass man den Gerüchten nicht auch auf den Leim geht. Die Lisl beispielsweise soll angeblich als Striptease-Tänzerin im Vladorama auftreten. Im späteren Text kommt heraus, dass sie dort nur gelegentlich kellnert.
Es ist ein sehr schönes kleines Büchlein, das man gern zweimal lesen kann, um noch besser zu verstehen.