Faszinierender und spannender Roman

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
monika85 Avatar

Von

Die amerikanische Autorin Miranda Beverly-Whittemore war mir bislang völlig unbekannt, das düstere Cover ihres neuen Romans "Die dunklen Sommer" hat mich nicht gerade angesprochen, dafür der Klappentext umso mehr. Ich war sehr neugierig auf das Buch, und ich bin nicht enttäuscht worden.

Die Geschichte beginnt mit einem Gespräch der Ich-Erzählerin Saskia mit ihrem kleinen Bruder William. Als die Elfjährige ihn kurz allein lässt, passiert etwas Schreckliches. Daraufhin muss der Vater ins Gefängnis, die Mutter geht nach Mexiko, und Saskia bleibt vorerst bei ihrer Großmutter. Aber ihr Aufenthalt dort ist nicht von Dauer, bald zieht sie zu Philip und Jane Pierce, Freunden der Familie. Philip ist Maler, Jane Geschäftsfrau, der gemeinsame Sohn heißt Xavier. Als Saskia 13 Jahre alt ist, fährt Philip mit ihr und Xavier in den Ferien nach Maine. Die Ferien entpuppen sich als ein dauerhafter Aufenthalt in einer Kommune, tief in den Wäldern Maines, die sich "Zuhause" nennt. Dort leben die Menschen als Selbstversorger und bewirtschaften das Land. Ihr Clanchef ist der charismatische Abraham, nach dessen Vorbild sich die  Bewohner "entdingen". Entdingen bedeutet, ohne die Anhäufung materieller Dinge zu leben.
Saskia lebt sich in der Gemeinschaft rasch ein, sie findet Beschäftigung und Erfüllung in der Küche, wo sie Sarah mit viel Freude beim Brotbacken hilft. Bald schließt sie sich Jugendlichen ihres Alters an und trifft auf Marta, die ihr umfassende Kenntnisse über die Natur vermittelt. Als der Fortbestand von Zuhause gefährdet ist, treffen die Jugendlichen eine folgenschwere Entscheidung.

Zwei Jahrzehnte später, Saskia lebt mittlerweile im Haus ihrer verstorbenen Großmutter, werden sie und ihre damaligen Freunde durch anonyme Drohbriefe aufgefordert, gemeinsam nach Zuhause zurückzukehren ....

Die in ganz wunderbarem Sprachstil erzählte atmosphärische Geschichte wird auf zwei Zeitebenen erzählt. Die erste Zeitebene spielt im Hier und Jetzt, die zweite behandelt die Jahre seit der Tragödie und Saskias Jahre in Zuhause. Mit jedem der bisweilen sehr kurzen Kapitel wechseln sich die Zeitebenen ab. Anfangs ist ein wenig Konzentration erforderlich, um den größeren Personenkreis in Zuhause zu erfassen.
Der Alltag der Mitglieder der Kommune - sie nennen sich "die Behausten" wird sehr eindrucksvoll beschrieben. Erschreckend ist der starke Einfluss des Oberhauptes Abraham auf die Bewohner, ganz besonders auf die Jugendlichen. Der Autorin ist es gelungen, die unterschiedlichen Charaktere ganz großartig zu skizzieren.

Ich fand es faszinierend, Saskias Leben in der Kommune zu begleiten und ihre Entwicklung zu verfolgen. Die schönen Beschreibungen von Landschaft und Natur haben mir sehr gefallen. Der spannende und mystische Roman, der auch gleichzeitig ein Psychothriller ist, hat mich von Anfang an gefesselt und begeistert. Nach und nach kommt der Leser der Wahrheit näher, die schockierende Auflösung am Ende hat mich dennoch vollkommen überrascht. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass das Buch, in dem es auch um Schuld, Trauer, Freundschaft, Abhängigkeit und die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit geht, eine ausgezeichnete Filmvorlage wäre.

Der intelligent geschriebene Roman hat mir sehr viel Lesefreude bereitet - klare Leseempfehlung und 5 Sterne!