Hochinteressantes Setting, jedoch eher schleppend erzählt

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
fever Avatar

Von

„Die dunklen Sommer“ von Miranda Beverly-Whittemore als psychologischen Thriller zu bezeichnen, ist nicht ganz passend, denn das Buch bedient sich einer eher langsamen Erzählweise ohne starken Spannungsaufbau. Die Thematik bietet allerdings durchaus Zündstoff: eine Gruppe Kinder und Jugendlicher, die in einer scheinbar harmlosen Kommune nach und nach in eine ungute Richtung abdriften, und ein mysteriöser Sektenführer mit gefährlichen Ideen.

Der Roman spielt auf zwei Zeitebenen: Zum einen erfahren wir, wie die junge Saskia zusammen mit Ziehvater und -bruder in der Kommune ‚Zuhause‘ landet und sich vom charismatischen Anführer Abraham sofort in seinen Bann ziehen lässt. Zum anderen nimmt der Roman vorweg, dass es mit ‚Zuhause‘ kein gutes Ende nahm, denn Jahre später, als Erwachsene, lebt Saskia zurückgezogen und allein. Sie wird von ihren ehemaligen Freund*innen aus ‚Zuhause‘ aufgesucht und zur Rückkehr dorthin überredet, obwohl sich die Kommune längst aufgelöst hat. Was genau geschehen ist und warum diese Rückkehr notwendig ist, wird nach und nach im Wechsel der Zeitebenen erzählt.

Diese Erzählweise könnte durchaus Spannung aufbauen, denn die Neugier, was damals passiert ist, ist ein stetiger Begleiter während der Lektüre. Allerdings schafft Beverly-Whittemore leider nicht ganz, diese Spannung aufrechtzuerhalten, denn auf dem Weg vom Anfang zur Lösung passiert einfach zu wenig. Auf sehr langsame Weise wird geschildert, wie Saskia nach und nach in ein gefährliches Weltbild abrutscht und wie sich dieses Trauma auf ihre Gegenwart auswirkt. Gefährliche Situationen ereignen sich sowohl in der Vergangenheit als auch im Jetzt, aber ihre Signifikanz im Gesamtgeschehen wird nicht so recht deutlich. Als psychologische Charakterstudie hat der Roman durchaus beeindruckende und bedrückende Momente, als Spannungsroman bleibt er eher hinter den Erwartungen zurück.

Wer sich für die menschliche Psyche, Manipulation und Sekten als Thema interessiert, wird in „Die dunklen Sommer“ sicher auf seine Kosten kommen. Das Buch bietet überaus interessante Einblicke in solche Strukturen und kann auch seine Charaktere überzeugend gestalten. Einzig an Spannung mangelt es dem Roman, sodass sich trotz interessanter Prämisse beim Lesen nicht wirklich ein Sog einstellen will. Das Buch sei also eher Leser*innen empfohlen, die eine langsame Entwicklung schätzen.