Großartiger Roman, Vorkenntnisse zur Reihe sollten vorhanden sein!

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Kurzbeschreibung (Quelle: Verlagsseite)
Als die kleine Linnea Berg vermisst gemeldet wird, starten die Bewohner von Fjällbacka eine Suchaktion in den umliegenden Wäldern. Schon einmal wurde ein Mädchen dort getötet. Dreißig Jahre ist das nun her. Damals fand man Stella Strand an dem einsam gelegenen Waldsee. Zwei 13-Jährige bekannten sich zur Tat – um wenig später ihr Geständnis zu widerrufen. Der Fall wurde nie geklärt. Kurz darauf beging der Chef der Polizeistation Tanum Selbstmord.
Hauptkommissar Patrik Hedström findet keine Ruhe. Und plötzlich reden alle von der Eishexe. Dem bodenständigen Kommissar widerstrebt es, dass eine Legende um ein misshandeltes Mädchen aus dem 17. Jahrhundert die Ermittlungen beeinflusst. Doch im Ort herrscht Hysterie. Nur seine Frau, Schriftstellerin Erica Falck, scheint einen kühlen Kopf zu bewahren. Schon lange recherchiert sie in dem alten Fall. Gemeinsam versuchen sie, Licht in das Dickicht aus Geschichten und Gerüchten zu bringen.

Autorin (Quelle: Verlagsseite)
Camilla Läckberg, Jahrgang 1974, stammt aus Fjällbacka - der kleine Ort und seine Umgebung sind Schauplatz ihrer Kriminalromane. Weltweit hat Läckberg inzwischen über zwanzig Millionen Bücher verkauft, sie ist Schwedens erfolgreichste Autorin. Heute lebt Camilla Läckberg in einer großen Patchworkfamilie in Stockholm.

Allgemeines
10. Band der Reihe um Erica Falck und Patrik Hedström
Titel der Originalausgabe: „Häxan“, ins Deutsche übersetzt von Katrin Frey
Erscheinungstermin: 2. Januar 2018 bei List als Hardcover mit 752 Seiten
Gliederung: Prolog – Nichtnummerierte Kapitel, teilweise mit Überschriften zum jeweiligen Handlungsstrang – Epilog – Danksagung
Erzählung in der dritten Person aus wechselnden Perspektiven
Handlungsort und -zeit: Fjällbacka und Umgebung auf drei Zeitebenen: 1671/1672, 1985, Sommer 2015

Zum Inhalt
Die Sommerferien von Patrik Hedström und seiner Familie werden jäh unterbrochen, als in Fjällbacka die vierjährige (Lin)nea Berg verschwindet. Nachdem dort vor 30 Jahren, im Sommer 1985, die damals ebenfalls vierjährige Stella ermordet wurde, sind Patrik und seine Kollegen sofort alarmiert und brechen ihren Urlaub ab. Seinerzeit wurden zwei 13-jährige Mädchen, Helen und Marie, die auf Stella aufgepasst hatten, der Tat beschuldigt, zunächst legten sie auch ein Geständnis ab, widerriefen dieses aber. Aufgrund ihrer Jugend konnten ohnehin keine strafrechtlichen Konsequenzen ergriffen werden. Helen lebt noch immer -inzwischen als Ehefrau und Mutter des Teenagers Sam - vor Ort, Marie, die eine Karriere als Schauspielerin gemacht hat, ist erstmals nach Fjällbacka zurückgekommen.
Nicht jeder verdächtigt die beiden Frauen, auch die syrischen Flüchtlinge der nahegelegenen Unterkunft, denen viele Schweden misstrauen, stehen unter Verdacht. Es kommt unter den Einheimischen, die sich um die Integration der Flüchtlinge bemühen und denjenigen, die die Zuwanderer ablehnen, zu Spannungen, die in einem Brand der Flüchtlingsunterkunft eskalieren.
Der Ort scheint das Unglück geradezu magisch anzuziehen und manche Einwohner fragen sich, ob die tragischen Vorfälle, die letztendlich mehrere Menschen das Leben kosten, auf den Fluch einer Frau zurückgehen, die im 17.Jahrhundert zu Unrecht hingerichtet wurde und ihre Mitbürger samt deren Nachkommenschaft verfluchte.
Erica Falck, die gerade an einem Buch über den Mordfall Stella arbeitet, unterstützt ihren Mann Patrik wieder nach Kräften.

Beurteilung
Die Handlung von „Die Eishexe“ wird auf drei Zeitebenen erzählt, die Haupthandlung spielt sich 2015 ab und wird in abwechselnden Kapiteln mit dem Fall der 1985 ermordeten Stella verschränkt. Diese Kapitel sind durch die Überschrift „Der Fall Stella“ kenntlich gemacht. Des Weiteren sind Kapitel über die Vorgänge des Jahres 1671/1672 eingeflochten, dieser historische Handlungsstrang ist äußerst interessant, spielt aber bis zum Ende des Romans keine unmittelbare Rolle für das Geschehen in der Gegenwart. Der Wechsel zwischen den drei Zeitebenen gestaltet die Lektüre trotz des beachtlichen Umfangs von 752 Seiten sehr kurzweilig, allerdings erfordert dieser stetige Wechsel aufseiten des Lesers erhöhte Konzentration. Dazu kommen noch die für die Autorin typische Fülle an Romanfiguren, deren Beziehungen und persönlichen Entwicklungen sowie die häufigen Perspektivwechsel auch innerhalb der Erzählung über die aktuellen Ereignisse, die einen Neueinsteiger in die Reihe leicht überfordern können. Es lohnt sich, für diesen sehr komplexen Roman Zeit und Konzentration zu investieren, denn er ist intelligent konstruiert und greift eine Menge aktueller Themen (nicht nur) der schwedischen Gesellschaft auf, so z.B. die Thematik der Akzeptanz oder Ablehnung von Flüchtlingen, aber auch das gesellschaftliche Gefüge der Schweden untereinander, Mobbing unter Jugendlichen – heutzutage aufgrund moderner technischer Entwicklungen noch wesentlich gravierender als früher – und die Folgen jahrelanger Demütigungen, die in Katastrophen münden können.
Trotz der ernsten Thematik, die schwere Kost darstellt, gibt es auch leichtere, von Humor geprägte Passagen, wenn es um den inkompetenten Polizeichef Bertil Mellberg geht, der den Lesern der vorherigen Bände bestens bekannt sein dürfte.
In einer anschaulichen und sehr flüssigen Erzählweise verbindet die Autorin unter dem übergeordneten Aspekt von Un(ge)recht(igkeit) aktuelle Themen unserer Zeit erstmalig mit historischen Elementen und bietet damit eine beeindruckende Lektüre, die über bloße Unterhaltung hinausgeht.
Aufgrund der Komplexität wäre ein Personenverzeichnis hilfreich gewesen.

Fazit
Ein großartiger Roman aus einer insgesamt sehr lesenswerten Reihe, der für Leser gänzlich ohne Vorkenntnisse allerdings eine Herausforderung darstellen dürfte.