Über die Gräber gehen

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r.e.r. Avatar

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Wer hat vor 30 Jahren die vierjährige Stella umgebracht? Waren es Marie und Helen? Die beiden Teenager, die die Tat gestanden, dann aber widerrufen hatten? Und was ist mit der kleinen Linnea? Ist es Zufall, dass nach 30 Jahren wieder ein kleines Mädchen verschwindet. Gerade als Marie, die vermeintliche Täterin von damals, wieder am Ort des Verbrechens auftaucht? In Fjällbacka an der schwedischen Küste brodelt es unter der scheinbar idyllischen Oberfläche. Denn nicht nur die beiden Frauen gehören zum Kreis der Verdächtigen. Auch die im Ort aufgenommenen Flüchtlinge werden misstrauisch beobachtet. Als dieser Verdacht sich zu bestätigen scheint, geschieht ein zweites Verbrechen.

„Die Eishexe“ von Camilla Läckberg ist ein echter „Pageturner“. Die Worte die die Autorin ihrer Heldin in den Mund legt, gelten auch für sie selber: „Trotzdem liebte sie ihren Beruf, sie liebte das Schreiben, und sie liebte es, den Geschichten, die sie erzählte, Leben einzuhauchen, tief in die menschlichen Schicksale einzutauchen und heraus zu finden, was eigentlich wirklich passiert war und warum."

Genau das macht Läckberg. Am Anfang muss man sich als Leser sehr konzentrieren um an der schieren Anzahl der Figuren nicht den Überblick zu verlieren. Läckberg legt viele Handlungsstränge an. Das sind Erika und Patrick, die beiden Hauptfiguren der Serie. Stets ebenso sehr mit der Aufklärung des Verbrechens beschäftigt, wie mit dem Managen ihres Privatlebens. Dem Aufziehen von drei kleinen Kinder, den Hochzeitsvorbereitungen für Patricks Mutter Kristina und der bevorstehenden Geburt eines Kindes bei Erikas Schwester Anna.

Da sind Marie und Jessie, Mutter und Tochter, Hollywoodstar und unglückliches Mädchen. Die Dreharbeiten zu einem Film über Ingrid Bergmann hat die erfolgreiche Schauspielerin wieder nach Hause gebracht ohne zu ahnen, was ihre Anwesenheit für Folgen haben könnte.

Da ist Helen, die den Ort des Verbrechens nie verlassen hat. Unter dem Deckmantel vermeintlicher Normalität lebt sie mit ihrem zur Gewalt und Pedanterie neigenden Mann James und dem sensiblen Sohn Sam im ehemaligen Haus der Eltern. Sie hält sich mit Extremsport und Psychopharmaka über Wasser.

Da ist Sanne, die Schwester von Stella, die noch immer damit kämpft nicht sicher zu wissen, wer ihre Schwester damals ermordet hat. Und deren Vendela ihr fast ebenso große Sorgen macht. Da sind Gun und Bill, die sich für die Flüchtlinge einsetzen und mit Entsetzen feststellen müssen, das ihr Sohn Nils die Fremden hasst.

Und da ist die Geschichte in der Geschichte. Läckberg beleuchtet in Rückblenden nicht nur die Ermittlungsarbeit des dreißig Jahre zurückliegenden Falles. Sie hat noch eine dritte Ebene. Die Geschichte eines Hexenprozesses aus dem 17. Jahrhundert aus der Gegend um Fjällbacka. Das Schicksal von Elin, einer jungen kräuterkundigen Frau, ist so fesselnd, das es einen eigenen Roman füllen könnte.

All dies verbindet Läckberg zu einem spannenden, gut lesbaren, Roman. Sie lässt den Leser Einblick nehmen in das Leben aber auch in die seelische Verfassung der Figuren. Schon kurze Szenen, oft nur angedeutet, malen ein lebendiges Bild. Man wird neugierig und möchte hinter die Kulissen blicken. Man kann gar nicht schnell genug lesen um endlich das Geheimnis zu lüften. Und möchte am Ende doch eigentlich gar nicht, dass der Roman zu Ende ist. Da hilft nur eines: Weitere Romane von Läckberg lesen!