Die Schattenseiten des Sommers

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borgeli Avatar

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Ich hatte schon davon gehört, dass es viele Eismacher in Norditalien gibt, die seit Jahren bzw. schon seit Generationen in Deutschland Eisdielen betreiben und nur die Wintermonate zuhause verbringen. Was das aber für die Familie bedeutet, hatte ich nicht geahnt: Die italienischen Dörfer sind den ganzen Sommer über fast verwaist, bis im Winter wieder alle da sind und normalen Alltag leben. Die Kinder bleiben im Vorschulalter zurück bei den Großeltern, sobald sie in die Schule müssen, gehen sie in ein Internat und verbringen dann die Sommerferien bei ihren Eltern in den Eisdielen. Es hat mich gewundert, dass so viele der italienischen Eismacher ihre Existenz in Holland aufgebaut haben, da hätte ich eher erwartet, dass sie die viel kürze Entfernung nutzten und sich eher in Süddeutschland ansiedelten. Zum Schmunzeln fand ich, dass in den Eismacher-Dörfern in fast jeder der Familien die Geschichte erzählt wird, wie ihre Urgroßväter quasi das Eismachen erfunden haben. Genau diese Geschichte, die den Grundstein für dieses Buch bildet.

Erzählt wird der Roman von Giovanni, dessen Eltern in Rotterdam eine florierende Eisdiele betreiben. Er, der ältere von zwei Brüdern, entdeckt seine Liebe zur Poesie, entscheidet sich gegen ein Arbeitsleben in der Eisbranche und nimmt ein Literatur-Studium in Amsterdam auf. Sein Bruder Luca ist durch diese Entscheidung gezwungen, die Eisdiele weiterzuführen und bricht deshalb seine Kommunikation mit Giovanni über viele Jahre ab. Auch die Eltern haben wenig Verständnis, dass Giovanni die Familentradition verlässt. Es wird klar, dass das Buch hauptsächlich die Konflikte schildert, in denen sich alle Familienmitglieder befinden. Der Vater hatte auch andere Ambitionen für seine Zukunft, musste aber Eismacher werden. Der jüngere Bruder Luca ist durch die Entscheidung Giovannis zur Übernahme der Eisdiele verpflichtet. Für Giovanni ist es schwer mit den Anfeindungen seines Vaters und das Ignoriert-werden durch seinen Bruder zurechtzukommen. Für ihn selbst ist seine eigene Berufswahl stimmig, aber niemand in seiner Familie akzeptiert dies.
Ich hätte der Familie gewünscht, dass sie sich gegenseitig als Mensch mit Fähigkeiten und Neigungen besser erkennen und annehmen könnten. Sowohl die Eltern als auch der Bruder Luca hätten irgendwann die Entscheidung Giovannis akzeptieren müssen und ihn nicht nur als Verräter der Familientradition bewerten dürfen. Ich fand es tragisch, dass diese Eisdiele die ganze Familie so ausbeutet und unglücklich macht. Ich hoffe, das ist nicht auf alle Eismacher-Familien übertragbar.

Das Buch hatte nicht immer einen flüssigen Schreibstil. So gab es ein wirklich langes Kapitel über Gedichte, Literatur und die Arbeit Giovannis. Irgendwie alles aneinandergereiht und durch die tatsächliche Länge dieses Kapitels erschien es endlos. Später folgte ein Kapitel mit Aneinanderreihungen von Hotelzimmer-Beschreibungen. Dadurch wurde das Lesen zäh und schleppend und hat mein Interesse am Buch ausgebremst. Den Schluss fand ich wieder interessanter, aber es bleibt für mich der Nachgeschmack, dass diese Familie über Generationen in der beruflichen Verpflichtung unglücklich und gefangen war.