Genuss, Erotik, Komik - Lesevergnügen pur!

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kainundabel Avatar

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Um es gleich vorweg zu sagen: Die folgenden Zeilen werden eine Liebeserklärung an Ernest van der Kwasts Roman „Die Eismacher“. Er zergeht wie Eis auf der Zunge, ist ein sprachlicher, literarischer, erotischer, sinnenfroher, tragikomischer Genuss. Im Mittelpunkt steht die Familie Talamini, die in der fünften Generation die Kunst des Eismachens beherrscht, und eine Kunst ist es in der Tat. Während der Urgroßvater noch das Eis mühsam vom Gletscher der Berge holte, experimentiert die junge Generation mit allen nur denkbaren Zutaten (Wobei das Eis mit Blauschimmelkäse, Apfel und Birne noch zu probieren wäre!). Im Sommer betreibt man die Gelateria in Rotterdam, im Winter geht es in die heimatlichen Dolomiten. Luca, der jüngste Familienspross, übernimmt die Eisdiele von seinem Vater, während der zwei Jahre ältere Giovanni mit der Familientradition bricht und seine Passion für die Poesie lebt. Seine Welt ist nicht das Eismachen, ist nicht der chinesische Gast, der behauptet, ein Landsmann habe das Eis erfunden. Seine Welt ist die Literatur, sind die Kneipen seines Studienortes Amsterdam mit ihren Dichtern. Beide Brüder haben ein inniges Geschwisterverhältnis, gehen bis zur ersten Verliebtheit meist Hand in Hand durch die Straßen. Sie verlieben sich beide in Sophia, und van der Kwast erzählt diese erwachende Leidenschaft mit unglaublicher Behutsamkeit, Feingefühl und Empathie. Der Bruch in der Geschwisterbeziehung kommt mit der Übernahme der Eisdiele durch Luca. Er sieht es als Verrat, dass sein Bruder eigene Wege geht und er deshalb wider Willen gezwungen ist, die Familientradtion fortzusetzen. Zwölf Jahre lang redet er nicht mehr mit Giovanni, um dann mit einer in der Tat äußerst ungewöhnlichen Bitte an seinen Bruder heranzutreten. Der Leser wird getragen zwischen kreativen Eisideen, traditionellen und modernen Familienbanden, zwischen leidenschaftlichen Momenten und inniger Liebe zur Poesie. Die Hinweise auf die zitierten Gedichte finden sich im Anhang, sodass man sich auf die Suche nach den lyrischen Texten begeben und sie parallel zum Roman genießen kann. Skurriles, Anekdotisches, feinste Beobachtungen und eine beneidenswerte Sprache machen „Die Eismacher“ zu einem besonderen Roman. Ich kann nur jedem empfehlen, sich in seiner Gelateria seinen Lieblingseisbecher zu bestellen, dazu das Buch zu lesen – das ist purer Genuss im eher trostlosen Sommer 2016. Für mich ist es bisher der Roman des Jahres!