Verliebt in Eis

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In das Buch "Die Eismacher" von Ernest van der Kwast kann man sich verlieben wie in zartschmelzendes sommerbuntes Eis, es verbindet eine tragikomische italienische Familiengeschichte mit den Traditionen der Eismacherei und der Liebe zur Poesie als höchste Kunst der Literatur, ist sprachgewaltig und voller überraschender, teils skurriler Anekdoten und lässt einen beim Lesen nicht mehr los.

Inhalt -Klappentext:
Im Norden Italiens, inmitten der malerischen Dolormiten, liegt das Tal der Eismacher, in dem sich die Einwohner auf die Herstellung von Speiseeis spezialisiert haben. Giuseppe Talamini behauptet gar, die Eiscreme wurde hier erfunden. Und er muss es wissen, schließlich haben sich die Talaminis seit fünf Generationen dieser Handwerkskunst verschrieben. Jedes Jahr im Frühling siedeln sie nach Rotterdam über, wo sie ein kleines Eiscafé betreiben. Hier gibt es alles, was das Herz begehrt: zartschmelzendes Grappasorbet, sanftgrünes Pistazieneis, zimtfarbene Schokolade. Dennoch beschließt der älter Sohn Giovanni, mit der Familientradition zu brechen, um sein Leben der Literatur zu widmen. Denn er liebt das Leben so sehr wie das Eis. Bis ihn eines Tages sein Bruder aufsucht: Luca, der das Eiscafé übernommen hat, ist inzwischen mit Sophia verheiratet, in die beide Brüder einst unsterblich verliebt waren. Und er hat eine ungewöhnliche Bitte...

Der Erzähler Giovanni und sein Bruder Luca, die beiden Sprößlinge der Eismacherfamilie Talamini, haben ein inniges Verhältnis. Gekoppelt mit vielen Rückblicken bis hin zu ihrem Urgroßvater, dem ersten Eismacher im Tal, begleitet die Geschichte die beiden bis zur ersten großen Liebe völlig unzertrennlichen und eng vertrauten Brüder, die beide in der Kindheit das Handwerk der Eismacherei lernen und lieben. Mit dem Auftauchen von Sophia trennen sich die Wege, der jüngere Luca bekommt das schönste Mädchen des Dorfes und die elterliche Eisdiele, der ältere Bruder Giovanni wird zum Weltreisenden für die Poesie und Literatur.

Lucas Liebe zum Eis nimmt im Roman genauso viel Raum ein wie die Giovannis Liebe zur Poesie und findet Verbindung in der Liebe der Brüder zu Sophia, die mit großem Feingefühl und dennoch voller Inbrunst beschrieben ist. Wie Planeten ein Gestirn umkreisen beide Jungen die Schöne Sophia, sobald sie im Tal der Eismacher auftaucht, nehmen zunächst gleichermaßen und ohne Eifersucht ihren Raum bei ihr ein. Sophia bleibt das Gestirn der Familie, die die Verbindung der Brüder zwischen neuen und schier unglaublichen Eiscreationen von Luca und wundervollen Poesie-Erlebnissen auf weltweiten Dichterfestivals von Giovanni ist. Man hat beim Lesen das Gefühl, die Familie rückt entweder näher zusammen oder droht zu zerbrechen, wenn Sophia unglücklich ist.

Neben Geschichten über Marco Polo und ob dieser das Eis aus China mitbrachte oder über die Erfindung der ersten Eiswaffel auf der Weltausstellung in New York erfährt man beim Lesen Hochinteressantes zur Eisherstellung, zu den ersten Eismaschinen, die mit Schnee betrieben wurden, und zum Eistransport per Schiff durch einen findigen Geschäftsmann aus dem kalten Norden Amerikas nach Kalkutta, alles immer irgendwie verbandelt mit dem kleinen Dorf der Eismacher in den Dolormiten und den Einwohnern dort. Das Buch verknüpft so auf unglaublich schöne Weise die Erlebnisse der Eismacherfamilie Talamini mit interessanten und sehr gut recherchierten Hintergrundinformationen. Mit einem Augenzwinkern kann man die Erfindung des Speiseeises und dessen Zubehör den Eismachern aus den Dolormiten zuschreiben, was durch zahlreiche kleine teils witzig-skurrile, teils tragische Geschichten belegt wird.

Ich habe selten ein so sommerliches und gleichzeitig so poetisches Buch gelesen, das eine Familiengeschichte auf derart sinnliche und lebensbejahende Weise erzählt, so dass ich am Ende traurig war, das Buch zuklappen zu müssen. Für dieses ganz besondere Lesevergnügen vergebe ich fünf Sterne und die Empfehlung, sich beim Lesen entweder in der Nähe einer guten italienischen Gelateria aufzuhalten oder ein köstliches Eis im heimischen Gefrierschrank bereit zu halten.