Auf der Suche nach dem richtigen Weg

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Auf den ersten Blick klingt die Liebesgeschichte von Birgit und Kaspar sehr romantisch: Sie ist für ihn in den Westen geflohen und die beiden haben sich dort ein gemeinsames Leben aufgebaut. Doch auf den zweiten Blick merkt man schnell, dass hinter der hübschen Fassade einiges zerbrochen ist. Nach Birgits tragischem Tod muss Kaspar feststellen, dass seine Frau wesentliche Teile ihrer Vergangenheit vor ihm geheim gehalten hat, die sie wiederum selbst nie loslassen konnte. Und so begibt sich Kaspar auf die Suche nach der Vergangenheit – auch um seine Frau besser kennenzulernen. Auf dieser Suche findet er völlig unerwartet eine Enkelin und ist wieder in der Situation ein junges Mädchen aus einer geschlossenen ideologischen Welt befreien zu wollen.

Bernhard Schlinks Roman „Die Enkelin“ hat mich sehr bewegt und zum Nachdenken angeregt. Zunächst fand ich den Blick in die Vergangenheit – ein geteiltes Deutschland – und eine Liebesgeschichte zwischen den Welten sehr interessant. Doch dann steht die Handlung im Hier und Jetzt im Vordergrund und hat mich persönlich doch etwas überrascht. Ich habe mit dem was kommt, auf keinen Fall gerechnet, war aber total beeindruckt.
Kaspar ist ein Protagonist, den ich als sehr überlegt und wertschätzend empfunden habe. Ich war beeindruckt von seiner Geduld und seiner sanftmütigen Beharrlichkeit. Obwohl Kaspar den Großteil der Handlung weit von meiner Altersklasse entfernt ist, konnte ich mich sehr gut in ihn hineinversetzen.
Schlinks Schreibstil gefällt mir sehr gut. Er erzählt von schwierigen Themen der unaufgeregt und bringt den Leser dazu, sich Gedanken zu machen. Denn wie man es aus „Der Vorleser“ kennt, liefert er kein vorgefertigtes Urteil, sondern zwingt den Leser sich selbst moralisch mit dem Thema auseinander zu setzen.
Der einzige Kritikpunkt der mit einfällt ist, dass ich eine Gruppierung, die im Buch angesprochen wird, nicht mehr als so besonders aktuell empfinde. Diese hatte ihre Hochphase tendenziell eher Anfang des 21. Jahrhunderts. Mir hätte das Buch noch besser gefallen, wenn wir auch da aktueller gewesen wären. Unabhängig davon ist das Thema, Menschen aus Ideologien zu befreien, für mich aktueller denn je.
„Die Enkelin“ von Bernhard Schlink hat mir ausgesprochen gut gefallen und zum Nachdenken angeregt – ein Buch, dass ich nur jedem empfehlen kann, der sich für Menschen und deren Distanzierung von Ideologien interessiert.