Familienbande

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petris Avatar

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Kaspar ist Buchhändler, und er liebt seine Frau Birgit. Auch wenn sie oft nicht greifbar ist, auch wenn sie Alkoholikerin ist. Er sieht dahinter immer die Frau, die wegen ihm und mit seiner Hilfe aus der DDR floh, die Frau, der er sich zugehörig fühlt. Als Birgit überraschend stirbt, sichtet er ihre Unterlagen. Sie hat geschrieben und ein Verleger möchte etwas von ihr herausgeben. Statt auf ein fertige Manuskript stößt er auf Birgits großes Geheimnis aus ihrer Vergangenheit. Er hatte keine Ahnung und macht sich auf, ihre Vergangenheit zu erkunden. Dabei lernt er Menschen kennen, die sie als junge Frau kannten und stößt auf völkische Siedler in einem der Dörfer im Osten. Für ein 14-jähriges Mädchen wird er zu so etwas wie ein Großvater. Aber wie vordringen zu einem Mädchen, das von Propaganda, aber auch dem Gemeinschaftsgefühl, das in der Siedlung herrscht, geblendet ist? Sehr vorsichtig wagt Kaspar den Versuch. Vielleicht hilft ja die Liebe zur Musik, die sie verbindet.
Bernhard Schlink ist mit „Die Enkelin“ ein faszinierender Roman gelungen, der viele Themen aufgreift. Da geht es einmal um eine lange Ehe mit einer unsteten Frau, auch um eine Flucht, es geht um völkische Siedler (Ich wusste, dass es so etwas gibt, aber hier nochmal genauer zu hören, wie sie denken und leben, das ist schockierend, auch wenn Schlink nicht urteilt, einfach nur erzählt. Kaspars Unwohlsein bei manchen Aussagen der Siedler, in manchen Situationen, kann man aber körperlich spüren. Er behält aber die Ruhe und versucht nur vorsichtig, dem Mädchen die Lücken in ihrem Denken aufzuzeigen.), wie man mit Familienmitgliedern umgeht, die in Sekten oder andere extreme Gemeinschaften abgedriftet sind,…
Schlink ist ein großer Erzähler. Hier hat er wieder einige schwierige Themen in einen schlüssigen, gut lesbaren Roman verwandelt. Seine Charaktere sind glaubwürdig und sehr menschlich in vielen Schattierungen gezeichnet. Es gibt kein Schwarz-Weiß, kein reines Gut und Böse. Er erzählt und wertet nicht. Das mag ich sehr in Romanen.
Von mir gibt es jedenfalls eine warme Empfehlung für den neuen Schlink, und ich freue mich schon jetzt auf seinen nächsten Roman!