Fantastisch!

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mike nelson Avatar

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Endlich mal wieder ein Buch, bei dem es richtiggehend schade war, dass es nach 367 Seiten ausgelesen war. Doch obwohl ausgelesen - ein Roman mit Nachhall. Aber auch im Leben hören Dinge auf, es gilt loszulassen, ohne dabei zu vergessen. Und das ist sinnbildlich dafür, wie es dem Protagonisten Kaspar in Bernhard Schlinks neuem Roman 'Die Enkelin' ergeht. Eine Geschichte voller Abbrüche und Wendungen - begeitet von den zentralen Frage 'Wie weitermachen? Wie neu beginnen?'. Nachdem Kaspars Frau Birgit sich suizidiert hat begegnet er in ihren für einen Roman gedachten Aufzeichnungen einem Geheimnis in ihrer Vergangenheit: Sie hatte eine Tochter, die sie ihm ein Lebenlang verheimlicht hatte, sich schuldig fühlend, die Tochter direkt nach der Geburt weggegeben zu haben, weil sie doch aus der DDR zu Kaspar in den Westen in ein anderes Leben flüchten wollte. Birgit hatte sich immer auf die Suche nach der Tochter begeben wollen, es war aber bei der Absicht geblieben; Kaspar übernimmt nun die Suche nach der Tochter. Dabei gerät Kaspar hinein in ein völkisch-nationalistisches Milieu. Er lernt dort seine 'Stief-Enkelin' Sigrun kennen - die Tochter seiner quasi Stieftochter und ist gefordert, sich mit einem rechten Gedankengut auseinanderzusetzen; und weil er eine große Zuneigung zur Enkelin verspürt, ist Kaspar bemüht, ohne eine Vorverurteilung die Auseinandersetzung zu suchen... und startet auch den Versuch Sigrun in eine andere Welt hinein zu retten. Dem Autor ist es gelungen, diesen Prozess mit viel Sensibilität zu beschreiben und er beschert uns Leser:innen einen emotional bewegenden und intellektuell herausfordernden Text. Unbedingte Leseempfehlung!!!