Lebenslinien eindringlich erzählt

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waldeule Avatar

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Bernhard Schlink ist ein begnadeter Erzähler. Das zeigt er auch wieder in seinem neusten Roman „Die Enkelin“. Er beherrscht die Kunst, in wenigen Worten sehr detailreich mit vielen Zwischentönen ganze Lebensgeschichten zu erzählen. Den eindringlichen und sehr nahe gehenden Schreibstil Schlinks finde ich auch in diesem Roman beeindruckend und ich mag die große spürbare Empathie zu den Personen.

Trotzdem schafft es Bernhard Schlink, mich in seinen Büchern immer wieder zu überraschen. Das gelingt ihm auch hier, als die melancholische Spurensuche Kaspars nach der Vorgeschichte seiner verstorbenen Frau plötzlich endet und er vor einer ganz neuen Herausforderung steht: Wie umgehen mit dem völkischen Gedankengut unserer Zeit? Hielt ich die Darstellung dieser sehr traditionellen Lebensweise zunächst für übertrieben, hat mich eine kurze Internetrecherche eines besseren belehrt. Schlink hat es hier (wieder) geschafft, mit dem Aufgreifen dieser real existierenden Parallelwelt meiner Weltsicht neue Facetten hinzuzufügen.

Dabei werden immer wieder auch ganz große Lebensfragen aufgeworfen: Wann ist es besser zu gehen, wann zu bleiben? Großmutter, Mutter und Tochter müssen auf diese Frage eine Antwort finden, ihre eigenen Entscheidungen treffen und vor allem damit leben. Mit ruhigen Worten, aber umso intensiver spürt Schlink dem Leben dieser Frauen nach, zusammengehalten durch die Hauptperson Kaspar. Die Lebensgeschichten der Protagonisten werden dabei gekonnt miteinander verwoben und ich bewundere den Autor, auf nicht einmal 400 Seiten so viel erzählen zu können.

Einzig mit dem Mädchen Svenja hatte ich zum Teil einige Probleme. Ob ihre fast märchenhafte Entwicklung in der Realität wirklich so sein könnte?

Fazit: Wie gewohnt beschreibt Bernhard Schlink mit leisen, aber eindringlichen Tönen das Schicksal seiner Protagonisten. Für mich ein besonderes Lesehighlight, deshalb auf jeden Fall empfehlenswert!